Aus Sibirien zum Niederrhein
Chordirektorin Maria Benyumova lebt heute 8000 Kilometer von ihrer Heimat entfernt.
Mönchengladbach. Ob sie ein Familienmensch sei, fragt Reinhold Richter. Maria Benyumova zögert einen Moment. Immerhin wohnt die Chordirektorin des Theaters Krefeld und Mönchengladbach derzeit 8000 Kilometer von zu Hause und ihrer Familie entfernt: „So wie ich gerade lebe, eigentlich nicht“. verneint sie schließlich die Frage ihres Gesprächspartners.
Die junge Frau ist auf Einladung der „Freunde des Theaters Mönchengladbachs“ an diesem Abend in der Studiobühne zu Gast. Bereits zum neunten Mal stellt der Verein in einem Gespräch einen Künstler des Theaters vor.
Benyumova leitet seit der Spielzeit 2010/2011 den Opernchor und den Niederrheinischen Konzertchor. Damit übernahm sie mit erst 26 Jahren ihre erste Stelle an einem Opernhaus. In einem rasend schnellen Tempo legte die heute 29-Jährige den weiten Weg aus ihrer Geburtsstadt Krasnojarsk im fernen Sibirien an den Niederrhein zurück.
Es war das „Gefühl der Begrenzung“, das die Musikerin antrieb, aus ihrer Heimatstadt hinter dem Ural nach Europa zu gehen: „Ich spürte die provinzielle Luft und wollte weit weg. Dort, wo ich große Vorbilder finden kann“, sagt Maria Benyumova. 1984 kam sie in der sibirischen Millionenstadt zur Welt. Ihre Eltern, die Mutter hat armenische und russische Wurzeln, der Vater kommt aus Kiew in der Ukraine, sind beide Musiker.
Schon früh lernte die zweitjüngste von vier Schwestern in der Musikschule Klavier und Gesang. „Am liebsten habe ich mit den anderen Mädchen im Chor gesungen“, erinnert sich die Chordirektorin.
Nach der neunten Klasse wechselte Benyumova auf ein pädagogische Kolleg, in dem unter anderem Dirigieren auf dem Stundenplan stand. „Danach habe ich gewusst, dass ich Chorleitung studieren will“, sagt die Direktorin.
Nach zwei Jahren am Konservatorium Krasnojarsk zog sie 2004 zum Großvater nach Dortmund, wurde an der Folkwang Universität in Essen angenommen. Sie lernte die Sprache der Werke von Bach, Mendelssohn und Mozart — und damit auch deren Musik besser zu verstehen: „Ich habe die deutsche Sprache sofort geliebt“, sagt Maria Benyumova. Sie spricht sie mittlerweile perfekt.
Ab 2006 studierte die junge Russin in München, gehörte dort der Meisterklasse von Michael Bläser an und legte ihr Diplom in Orchesterdirigieren bei Otto Weil ab. „Ich hatte nicht wirklich eine Ahnung, was mit einem Choroper-Betrieb auf mich zukommt“, sagt die Chordirektorin über ihr erstes Engagement.
Nach mehr als drei Jahren hat sie das Gefühl, alles gut gemeistert zu haben. Geholfen haben der jungen Dirigentin „das Vertrauen von Ensemble und Theaterleitung“ und eines ihrer Lebensmottos: „Ein guter Tag ist einer, an dem ich arbeiten kann“, sagt Benyumova.
Worauf sie außerdem, fern von ihrer Familie, baut: „Geborgenheit zu erfahren und für jemanden wichtig zu sein“.