Big Air: Gladbacher lernen von Mailand

Die Wintersportveranstaltung feierte am Wochenende Premiere in Norditalien. Eine Mönchengladbacher Delegation sah, was sie für die Austragung in ihrer Stadt am 2. und 3. Dezember noch besser machen kann.

Foto: Jan Schnettler

Lisa Zimmermann lässt den Blick ins Tal schweifen. Die jubelnde Zuschauermasse ist bestenfalls zu erahnen, dahinter strahlen die Lichter der Großstadt. Die Konkurrentinnen feuern die Nürnbergerin an, man klatscht sich ab. Die 20-Jährige rückt ihre Brille zurecht, dann ertönt das Startsignal. Und los geht sie, die wilde Fahrt: Rückwärts schießt Zimmermann die Skipiste hinunter. Die gleicht einer Skisprungschanze, nur dass man am Ende, am sogenannten Kicker, weit in die Luft geschossen wird, senkrecht beinahe. Mit atemberaubendem Tempo dreht sich die junge Frau kunstvoll um die eigene Achse — einmal, zweimal, dreimal. Applaus brandet auf. Zimmermann landet sanft auf ihren Brettern, bremst elegant ab — und hat Grund zur Freude: Sieg, Weltcup-Führung, 11 250 Schweizer Franken (knapp 10 550 Euro) Preisgeld — Saisonauftakt mehr als geglückt.

„Big Air“ heißt das Event, „Super Series“ der Wettbewerb, den der Ski-Weltverband FIS ins Leben gerufen hat, um die Jugend für den Wintersport zu begeistern. In der dreiteiligen Serie wetteifern Freestyle-Skifahrer und -Snowboarder um Punkte, Siege, Ruhm oder ganz einfach die besten Sprünge — für die Boarder geht es zusätzlich sogar um die Qualifikation für Olympia 2018.

Auf Mailand, wo es an diesem Wochenende losgeht, folgt am 2./3. Dezember Mönchengladbach, später noch Quebec in Kanada. Die Idee ist dabei immer gleich: Man holt die jungen Trendsportarten aus den Skigebieten in die Städte, an möglichst spektakuläre Austragungsorte zudem. In Boston war es mal das Baseball-Stadion der Red Sox, in Mailand ist es das Gelände der Weltausstellung 2015. Und in Gladbach wird es das Hockeystadion sein, das damit in Sachen Multifunktionalität einmal mehr neue Maßstäbe setzt.

Deswegen ist eine Gladbacher Delegation um Michael Hilgers (Sparkassenpark) und August Pollen (Allrounder/Skihalle Neuss) in die Lombardei gereist, um einen Eindruck davon zu bekommen, was sie da in drei Wochen eigentlich ausrichten werden. Denn „Big Air“ muss man mit eigenen Augen und vor Ort gesehen haben, um es zu verstehen.

August Pollen, Mitorganisator

Eine monströse Gerüstkonstruktion bildet den Unterbau der fast 50 Meter hohen Rampe. In Gladbach, wo heute der Aufbau startet, werden dafür 40 Lkw Material angekarrt. Ein Käfig-Aufzug bringt die Athleten nach oben. Von dort hat man einen weiten Ausblick, der in Mailand tagsüber bis zu den Schweizer Alpen reicht. Die Gladbacher Delegation sieht aber auch, was man noch besser machen kann.

Und sie wird es besser machen. Denn das Mailänder Expo-Gelände liegt meist brach. Deshalb sind ÖPNV- und Taxi-Anbindung Fehlanzeige und zumindest am Freitag, zum Freestyle-Ski, zu wenig Zuschauer da. Die Ausschilderung ist unzureichend, das Begleitprogramm sparsam. „Bei uns wird der Fokus viel mehr auf dem Publikum liegen“, sagt Hilgers. Die Sportfreunde Stiller und die Absoluten Beginner spielen Konzerte. „Unser Auslauf ist viel länger, die Rampe besser einsehbar“, fügt Pollen hinzu. In Mailand klemmt die Rampe zwischen zwei Gebäuden — sieht schick aus und erleichtert die Ausleuchtung, einen optimalen Blick hat das Publikum aber nur frontal von unten. Nicht wie im Sparkassenpark auch seitlich.

Was in Mailand definitiv stimmt: der Sport. Man kann den jungen Wettbewerbsformaten hier quasi beim Wachsen zusehen. Die Athleten sind begeistert, das überwiegend junge Publikum lässt sich begeistern. Es herrscht Partystimmung, wozu die Dauer-Beschallung und der Livekommentar beitragen.

Lisa Zimmermann, die bald ein Star sein könnte, wird wie Kai Mahler (Schweiz/Ski), Anna Gasser (Österreich/Snowboard) und Marcus Kleveland (Norwegen/Snowboard) im Gelben Trikot des Weltcupführenden an den Niederrhein reisen. „Ich freue mich riesig drauf“, sagt sie lachend. Selten klang eine Sportleraussage glaubwürdiger.