Der Mann fürs Poltern und Palavern
Wie sieht die Arbeit eines Menschen aus, der dem „großen Knall“ auf den Grund geht? Alfred Schmitz ist Gutachter in Sachen Geräusche und sagt: Lärm ist Gefühlssache.
Mönchengladbach. Ein Sektkorken knallt mit bis zu 110 Dezibel aus der Flasche. Das ist etwa so laut wie ein Passagierflugzeug beim Starten oder ein Presslufthammer beim Straßenbau. Der Unterschied ist dabei klar: Die Sektflasche dürfte bei den meisten positive Gefühle wecken — im Gegensatz zu Flugzeuggeräuschen und Presslufthammer. Und so ist es auch für die meisten bei der großen Silvesterparty. Und beim Böllern um punkt zwölf. Da kann es gar nicht laut genug sein. Außer bei denjenigen, die allein daheim sitzen und sich über die Nachbarn ärgern.
Wenn man einen Experten für Geräusche, einen Kenner der Grenzwerte, also einen Lärmgutachter wie Professor Dr. Alfred Schmitz fragt, dann ist genau das die Quintessenz seines Berufslebens: „Ich habe gelernt, dass technische Werte nur die Hälfte meiner Arbeit ausmachen. Der Rest ist Psychologie.“
Wann ein Geräusch als Lärm empfunden werde, sei eine sehr subjektive, eine sehr emotionale Frage. „Lärm ist die negative Beurteilung von schall-energetischen Ereignissen“ formuliert es der Ingenieur für Akustik wissenschaftlich.
Die Nacht des 31. Dezember ist die wohl lauteste Nacht des Jahres — es ist ja schließlich nicht jedes Jahr Fußball-Weltmeisterschaft mit Korso fahrenden Autos. Eine Silvesterrakete produziertbeim Explodieren bis zu 135 Dezibel in einem Meter Entfernung, das ist etwa so viel wie ein Pistolenschuss. Trotzdem dürften die wenigsten Menschen die Geräusche, die das alte Jahr verabschieden und das neue Jahre willkommen heißen, als wirklichen Lärm empfinden.
Auch deshalb ist die Berufsbezeichnung Lärmgutachter auch eigentlich nicht so ganz zutreffend. Akustiker versuchen mittlerweile, vom Wort Lärm zum Begriff Umweltgeräusche zurückzukehren. „Geräusch ist schließlich ganz ohne Wertung“, sagt Alfred Schmitz.
Und um wissenschaftliche Neutralität geht es ja, wenn er mit den Mitarbeitern seines Ingenieurbüros für technische Akustik zum Beispiel bei Nachbarschafts-Streitereien Wummern, Poltern und Geschrei in Mönchengladbach auf den Grund geht. Dann sind „emotionslose“ Messgeräte und Grenzwerte gefragt.
Auch die normalsten Geräusche werden von Nachbarn oft dann als Lärm empfunden, das hat Schmitz in seinen Berufsjahren festgestellt, wenn sich die Parteien nicht gut verstehen. „Dann wird eben jedes Geräusch von nebenan als Problem angesehen.“
Auf der anderen Seite sei ganz interessant, dass alleinstehende ältere Menschen sehr häufig sagten, dass sie „gerne Geräusche von den Nachbarn hören, weil sie dann wissen, da ist jemand, sie sind nicht allein im Haus“.