Der Pferdeflüsterer von Gladbach

Ranchman Yeti bildet Pferde aus. Und er kümmert sich um besonders schwierige Fälle — wie jetzt im Tierpark Odenkirchen.

Foto: Ilgner

Was genau passiert ist, weiß hinterher niemand zu sagen. Ob es ein Luftstoß war oder ein knatterndes Geräusch? Auf jeden Fall rastet Omi völlig aus. Sie rennt los, legt am Ende des Geheges eine Vollbremsung hin, dreht sich und galoppiert in Höchstgeschwindigkeit in die andere Richtung. Ihre Augen sind weit aufgerissen, die Ohren nach hinten gelegt. Und dann reißt sich auch noch ihr Sohn los — und macht es ihr gleich.

Das Shetlandpony Flocke bleibt gelassen stehen, es ist gewöhnt an die Eskapaden der beiden Wildpferde. Auch Ranchman Yeti ist die Ruhe selbst. In dieser reichlich turbulenten Situation zeigt er seine ganze Erfahrung. Wie ein Fels in der Brandung steht er hochaufgerichtet mitten auf dem Platz — die Wildpferde beruhigen sich. Und lassen sich willig am Gatter anbinden.

Ranchman Yeti heißt eigentlich Bernd Seibold. Er verbringt einige Tage im Odenkirchener Tierpark um die Omi und ihren Sohn, der von allen im Tierpark Dicker oder Großer genannt wird, zu zähmen. Die Tarpan-Stute hat mindestens 25 Jahre auf dem Buckel, ihr Sohn wird auf 15 Jahre geschätzt. Tiergarten-Leiterin Katrin Ernst hat den Pferdeflüsterer beim Wanderreiten kennengelernt. Das bietet der Ranchman an der Ehrenburg an. „Ich habe ihn gefragt, ob er uns mit unseren Tarpan-Pferden helfen kann“, sagt sie. Und nun ist er da.

„Ich bilde Pferde und Menschen aus“, sagt er. Schon nach wenigen Tagen hat er es geschafft, dass die Omi sich anfassen lässt. „Der Dicke ist wesentlich entspannter als seine Mutter.“ Tatsächlich bietet der Wallach bereitwillig seine Hufe, lässt sich mit dem Stethoskop abhören und einen Verband anlegen. Das muss Omi noch lernen. Denn das ist das Ziel. „Wir wollen erreichen, dass die beiden den Zahnarzt ins Maul schauen lassen, dass der Hufschmied an sie rankommt und der Tierarzt sie abhorchen und behandeln kann“, sagt der Ranchman. Bisher mussten beide Pferde selbst für die Zahnreinigung sediert werden. Dass das für die Tiere nicht gut sein kann, leuchtet ein.

Ranchman Yeti setzt seine Arbeit mit der Omi fort. „Je ruhiger ich bin, desto ruhiger sind die Pferde“, sagt er. Durch sanftes Locken erregt er die Aufmerksamkeit der alten Dame. Der Kontakt ist hergestellt — und Yeti belohnt die Stute, indem er ihr eine Pause gönnt. Omi entspannt sich. „Ich lasse einfach locker und nehme den Druck weg, das reicht. Leckerli sind gar nicht nötig.“ Der Pferdekenner hat orangefarbene Planen auf dem Boden ausgelegt, eine grüne Plane hängt über dem Zaun, sie bewegt sich im Wind und macht Geräusche. „Daran müssen sich die Pferde gewöhnen“, sagt er und führt die Stute hinüber zu den Planen. Ganz geheuer ist ihr das nicht, aber sie scheint dem Mann an ihrer Seite zu vertrauen. Der lobt sie und gönnt ihr eine Pause.

Ranchman Yeti wendet sich noch einmal dem Dicken zu. Er horcht seinen Bauch ab, hebt die Hufe, einen nach dem anderen, und dann legt er dem Wallach einen Verband an. Der lässt sich das prima gefallen. „Mit ihm sind wir schon sehr weit, die Omi muss noch viel lernen, da sind wir erst am Anfang.“ Katrin Ernst weiß nicht, was die beiden Tiere so ängstlich gemacht hat. „Sie sind vor vielen Jahren aus dem Duisburger Zoo gekommen“, sagt sie. „Uns ist nicht bekannt, wo sie vorher waren.“ Im Odenkirchener Tierpark sollen sie ihren Lebensabend genießen.

Der Ranchman beendet vorläufig die Arbeit mit den Pferden. „Es ist besser, zwei- bis dreimal am Tag kurze Einheiten zu machen, als die Pferde mit zu langen Übungen zu überanstrengen.“ Er trainiert immer nur so lange, wie die Augen und Ohren wach und sie ruhig sind, wie er sagt. Omi hat sich dem Futtersack zugewandt, sie belohnt sich selbst mit einer Portion Heu. Der Dicke verschwindet im Stall, im Gehege kehrt Ruhe ein.