Haftbefehl gegen Eltern eines toten Babys
Der sechs Wochen alte Säugling war am Donnerstag durch stumpfe Gewalteinwirkung zu Tode gekommen. Die Eltern sind in Untersuchungshaft.
Die Straße, in der sich in der vergangenen Woche eine Familientragödie abgespielt haben soll, ist wenig belebt an diesem Sonntag. Handwerksbetriebe und Kindergarten in der Nähe sind geschlossen. Die wenigen Menschen, die unterwegs sind, können nicht begreifen, was direkt nebenan passiert sein soll. „Das junge Paar hat sich richtig auf das Baby gefreut“, sagt eine Anwohnerin.
Umso mehr erschüttert die Mitteilung von Staatsanwaltschaft und Polizei vom Samstagnachmittag: Eine 30 Jahre alte Mutter und der 29 Jahre alte Vater sollen in Hockstein ihr sechs Wochen altes Baby getötet haben. Eine Untersuchungsrichterin erließ am Samstag Untersuchungshaftbefehl gegen die Eltern. „Ich kann das kaum glauben“, sagt ein Nachbar, dem die Fassungslosigkeit anzusehen ist.
Die Ermittler haben noch nicht viele Details zu dem Fall veröffentlicht. Ersten Erkenntnissen zufolge muss sich in der Wohnung Folgendes abgespielt haben: Die Eltern riefen am Donnerstag gegen 10.20 Uhr selbst den Notarzt. Der stellte an dem toten Kind blaue Flecken und weitere Hinweise auf Gewalteinwirkung fest. Er rief die Polizei hinzu. Die Staatsanwaltschaft veranlasste eine Obduktion, und in der Gerichtsmedizin bestätigte sich der Verdacht: Das Baby muss durch stumpfe Gewalteinwirkung gestorben sein. Die Polizei richtete daraufhin am Freitag eine Mordkommission mit mehr als zehn Beamten unter der Leitung von Kriminalhauptkommissar Ingo Thiel ein. Der erfahrene Beamte leitete auch im Oktober 2015 die Ermittlungen nach dem gewaltsamen Tod des Babys Leo, dessen Vater inzwischen wegen Mordes lebenslang und dessen Mutter wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden sind.
Inwieweit sich die Fälle ähneln, ist noch völlig unklar. Polizei und Staatsanwaltschaft nannten am Wochenende keine Details und Hintergründe zu dem Tod des Säuglings. „Wir können aus ermittlungstaktischen Gründen noch keine weiteren Einzelheiten nennen“, sagte Staatsanwalt Benjamin Kluck. Die Eltern haben zu den Vorwürfen ausgesagt. Die genaue Todesursache ist aber noch nicht geklärt. Das Jugendamt ist in die Ermittlungen bisher offenbar nicht involviert. Ob die Familie dem Jugendamt bekannt war, ist offen. Ersten Einschätzungen zufolge soll es sich nicht um eine auffällige Familie handeln. Einzelheiten wollen Polizei und Staatsanwaltschaft am Montag oder Dienstag bei einer Pressekonferenz bekanntgeben. „Das hängt vom Fortgang der Ermittlungen ab“, sagte Polizeisprecherin Cornelia Weber.
Der Kinderschutzbund in Mönchengladbach hat oft mit Familien zu tun, bei denen es Hinweise auf Misshandlungen des Kindes gibt. Entweder sind die Experten dabei, wenn misshandelte Kinder wieder auf ihre Eltern treffen („begleiteter Umgang“) — dies wird vom Jugendamt initiiert. Oder aber Kinder und Eltern melden sich bei der anonymen Beratungsstelle oder bekommen Hilfen in Erziehungskursen. 2016 hatte der Kinderschutzbund so insgesamt 1355 Kontakte zu Familien in schwierigen Situationen. „Die Zahl der seelischen und körperlichen Misshandlungen steigt, und sie ist um ein Vielfaches höher als sexueller Missbrauch“, sagt Mareike Eßer, Geschäftsführerin des Kinderschutzbundes. „Die Hemmschwelle zur Gewaltbereitschaft sinkt, Streitigkeiten eskalieren schneller.“ Und dies quer durch alle Gesellschaftsschichten.
Zuletzt berieten Experten auf der Fachtagung „Kinderschutz in Mönchengladbach“, wie sich Jugendamt, Polizei, Justiz, Kinderärzte, Rechtsanwälte und Kinderschutzbund besser vernetzen könnten. Ein Thema war: der Mordfall an Baby Leo. Referent war Ermittler Ingo Thiel.