Ein Therapeut mit Mähne
Bei Schülern der LVR-Förderschule in Rheindahlen steht ein besonderes Fach auf dem Stundenplan: Reiten.
Mönchengladbach. Als die achtjährige Lilli auf dem Pony sitzt, das im Galopp an der Longe über die Koppel läuft, strahlt sie über das ganze Gesicht. Als nächster ist Patrik dran, der etwas ernster, aber ebenfalls sichtlich entspannt das Galoppieren genießt. Die beiden sind Schüler der LVR-Förderschule in Rheindahlen, die von Kindern mit geistiger und körperlicher Behinderung oder mit motorischen Einschränkungen besucht wird.
Seit einigen Monaten tauschen Kinder den Klassenraum mit dem Reiterhof. Die Arbeitsgruppe — derzeit gehören ihr vier Schüler an — fährt einmal in der Woche gemeinsam mit Lehrerin Christiane Mohren nach Winkeln auf den Hof der Reittherapeutin Jutta Junker. Dort werden sie langsam an den Umgang mit dem Pony gewöhnt. Wer Angst hat, sieht erstmal zu, beobachtet das Tier, traut sich dann vielleicht das Pony zu berühren und zu führen.
Die Vierergruppe der LVR-Schule hat inzwischen alle Anfangsschwierigkeiten gemeistert. „Die ängstlichen Kinder wachsen über sich hinaus“, sagt ihre Lehrerin Christiane Mohren. „Sie trauen sich etwas zu. Ich erlebe die Kinder hier ganz anders als in der Schule.“
Die soziale Komponente wird ebenfalls geschult: Die Kinder müssen beim Putzen und Striegeln zusammenarbeiten und sie geben sich gegenseitig Sicherheit, wenn sie zu zweit auf dem Pferd sitzen. Neben wachsendem Selbstvertrauen und Teamfähigkeit hat das therapeutische Reiten auch positive Auswirkungen auf den Körper.
Durch die Bewegungen des Ponys wird die Hüftmuskulatur gestärkt, was besonders für Kinder mit motorischen Problemen, aber auch für Rollstuhlfahrern wichtig ist.
Zudem verbessern sich der Gleichgewichtssinn sowie das Koordinations- und Reaktionsvermögen. Besonders erstaunlich: Sogar die Atmung wird beeinflusst. „An Mukoviszidose erkrankte Kinder können frei abhusten, wenn sie auf dem Rücken eines Pferdes liegen“, erklärt Ulrich Wontorra, Schuldezernent des Landschaftsverbands Rheinland.
Was Eltern und Lehrern mit größter Mühe nicht gelingt, klappt in der AG plötzlich ganz spielerisch. Autisten fangen an, mit dem Tier zu sprechen, Kinder mit Aufmerksamkeitsstörung können sich besser konzentrieren. Dem tierischen Therapeuten sei dank.