"Einmal Opfer, immer Opfer"
Bernd Püllen ist bei der Bluttat eines Rentners in Schwalmtal schwer verletzt worden - und muss die Kosten für den Polizeieinsatz bislang selbst tragen.
Mönchengladbach/ Kreis Viersen. Er überlebte die Bluttat: Als am 18. August 2009 ein damals 71-Jähriger in einem Einfamilienhaus in Schwalmtal-Amern (Kreis Viersen) wie wild um sich schoss und drei Menschen tötete, wurde Bernd Püllen (51) mit drei Schüssen schwer verletzt. "Es war schon ein Wunder, dass ich überlebt habe", sagt der Gladbacher jetzt. Seine Augen werden feucht bei diesem Satz.
Der Vater zweier Kinder ist weiterhin in Behandlung. Und er wird lange daran zu knabbern haben, bis äußere und vor allem innere Narben verheilt sind. Gut zwei Monate nach der schrecklichen Amoktat sitzt das Opfer immer noch auf den Reparaturkosten für seinen Pkw.
"Die Gladbacher Polizei rührt sich einfach nicht, dabei sind die Schäden durch den Einsatz der Beamten entstanden", sagt der Politiker, der dem Gladbacher Stadtrat angehört.
Püllen ist Diplom-Ingenieur bei der Viersener Kreisverwaltung. Er gehört dem dortigen Gutachterausschuss an. Der ist immer gefragt, wenn es um die Bewertung von Immobilien geht.
Gutachter Püllen und sein später erschossener Kollege (48), ebenfalls Gutachter, sind also gefragt, als es im August um die Wertschätzung des Amerner Einfamilienhauses geht. Es soll verkauft werden. Das Ehepaar - die Frau ist die Tochter des mutmaßlichen Amok-Schützen - haben sich getrennt.
Beim Ortstermin mit Anwälten und Gutachtern fallen die Schüsse. Püllen wird von Projektilen im Bauch und im linken Oberkiefer getroffen. Nachbarn sehen den blutverschmierten Mann, wie er torkelnd aus dem Haus kommt, rufen den Notarzt. Der Rest ist ärztliche Routine.
Er wird bislang zweimal operiert, ist verzweifelt, hat Schmerzen. Und immer wieder geistert die Frage durch den Kopf: Werde ich wieder der "Alte" sein - für meine Kinder, für meine Frau?
Als er nach einer dieser Operationen zu sich kommt, fragt er seine Frau Hedwig (49), ob sie schon das Privatauto abgeholt habe. Sie hat es nicht. Den Pkw hatte der Gladbacher in der Nähe des Tatorts am Sportplatz geparkt. Dann war er zu Fuß zum "Todeshaus" gelaufen.
Ein Einsatzkommando schlägt später die Scheiben des Püllen-Autos ein, es entstehen Kratzer und Beulen. Die Beamten wollen an Akten heran, die im Wagen liegen und die für die Ermittler hilfreich sein können.
Als Frau Püllen am Sportplatz erscheint, ist kein Auto da. Erst nach einem Telefon-Marathon stellt sich heraus, dass es beschlagnahmt wurde und beim LKA in Düsseldorf steht. Dann wird der Wagen zu einem Abschleppdienst gebracht. Hier heißt es: "Sie müssen das Auto ablösen." Das bedeutet: Erst 500 Euro, dann den Pkw. Wieder wird telefoniert. Mit dem Ergebnis: Es geht auch ohne Ablöse.
Doch nun stellt sich heraus, dass Scheiben defekt und andere Schäden entstanden sind. Hedwig Püllen bringt das Auto ihres Mannes zu einem Fiat-Händler, einem Bekannten. Mittlerweile hat die Familie herausgefunden, wer denn nun für den Schaden aufkommen soll. Nach zahlreichen Telefonaten.
Mithilfe eines Anwaltes und eines Aktenzeichens schickt der Werkstatt-Betreiber die Rechnung für den Scheibentausch am 14. September zum Gladbacher Polizeipräsidium. Und legt wegen der Dellen und Lackfurchen einen Kostenvorschlag dazu.
Doch Polizeichef Hans Hermann Tirre reagiert nicht. Als Püllen Ende vergangener Woche ein wenig energisch nachfragt, wird er im Tirre-Vorzimmer abgewiesen. Der Chef sei in einer Besprechung. Er könne ja die Beschwerdestelle anrufen, rät man ihm. Püllen fasst sich an den Kopf und fragt: "Einmal Opfer, immer Opfer?"