Integration: „Ich bin in erster Linie Aslihan“
Aslihan Kurmus ist Stipendiatin. Die 16-jährige Deutsch-Türkin hat klare Vorstellungen von Integration.
Mönchengladbach. "Man sollte nicht alle über einen Kamm scheren", ist die klare Ansage von Aslihan Kurmus in Anbetracht der von Thilo Sarrazin losgetretenen Integrationsdebatte. Die 16-Jährige ist in Mönchengladbach geboren, hat einen türkischen Migrationshintergrund und ist Muslimin.
Wenn man die jüngsten Äußerungen von CSU-Chef Horst Seehofer betrachtet, gehören sie und ihre Eltern zu einem Kulturkreis, dem die Integration schwerer falle und deshalb sollten Menschen wie sie nicht mehr nach Deutschland einwandern. "Diese Vorurteile kann ich einfach nicht nachvollziehen", sagt die Schülerin der Gesamtschule Volksgarten. "Da wird wieder nur anhand von negativen Beispielen argumentiert", erklärt sie verärgert.
Dabei ist Aslihan ein positives Beispiel dafür, wie Integration laufen kann. Die Mönchengladbacherin ist Start-Stipendiatin, sie gehört zu den 49 Schülern in Nordrhein-Westfalen mit Migrationshintergrund, die vom Ministerium für Schule und Weiterbildung und der Hertie-Stiftung gefördert werden (WZ berichtete). "Ich hoffe, dass ich durch meine Förderung auch andere junge Menschen mit Migrationshintergrund motiviere", sagt die Schülerin mit Einser-Schnitt.
Aslihan ist aber alles andere als übermäßig fleißig. "Ganz ehrlich, soviel lerne ich nach der Schule gar nicht", räumt sie verlegen räuspernd ein. "Höchstens mal für Mathe", schiebt sie noch lachend nach. Stattdessen liest die Jugendliche sehr gerne. "Momentan ’Don Carlos’ von Schiller."
Am liebsten aber hört sie Musik "von britischen Bands wie Arctic Monkeys oder The Kooks", erzählt sie und macht für das Gespräch schnell die Musik aus ihrer Anlage leiser. "Überhaupt bin ich sehr an der britischen Kultur interessiert, ich würde auch gerne in London studieren." Wie die meisten Jugendlichen in ihrem Alter geht sich auch einfach gerne am Wochenende feiern und tanzen.
Dennoch unterscheidet sie sich von vielen ihrer Mitschüler durch ihr Engagement. Aslihan ist Klassensprecherin und in der Schülervertretung. "Ich bin schon irgendwie anders, ich habe halt eine Meinung, die ich gerne mitteile", erzählt sie und macht klar, dass sie ihren eigenen Kopf hat. "Deshalb bin ich auch froh, dass ich zwei jüngere Geschwister habe, dann ist da niemand Älteres, der mir Vorschriften macht", sagt sie lachend.
So ist sie der Meinung, dass man sich, wenn man in Deutschland lebt, unbedingt an das deutsche Gesetz halten und sich integrieren sollte. "Allerdings denke ich, dass Integration immer von zwei Seiten abhängt: Eine Seite, die sich integrieren will und die andere, die das zulässt", erklärt die 16-Jährige.
Mit ihrer ehrlichen Art kommt nicht jeder zurecht. "Vielen passt es nicht, dass ich so offen und liberal bin. Manchmal muss ich mir von türkischen Mitschülern auch anhören, dass ich gar keine richtige Türkin sei." Aber solche Aussagen ignoriert sie einfach, "es macht ja keinen Sinn mit solchen Leuten zu diskutieren."
Unter den Stipendiaten fühlt sie sich gut aufgehoben. Alle seien ehrgeizige junge Leute, deren Familien aus den unterschiedlichsten Ländern kommen. "Da kann man auch mal Erfahrungen austauschen. Denn ich denke, dass jemand mit Migrationshintergrund sich in jeder Lebenssituation immer doppelt so sehr bemühen muss, wie jemand Deutsches", beschreibt sie ihren Eindruck. Deshalb mag sie die Frage nach ihrer Herkunft nicht. "Nicht etwa, weil ich mich schäme, sondern weil ich dann häufig beobachten kann, wie sich die Haltung meines Gesprächspartners verändert."
Aslihan ist der Meinung, dass es endlich an der Zeit sei, nicht mehr aufgrund der Herkunft oder der Religion über einen Menschen zu urteilen, sondern aufgrund der jeweiligen Persönlichkeit. "Ich bin in erster Linie Aslihan", sagt sie. Und erst danach Deutsch-Türkin und Muslimin.