Marathon aus Angst vor Unwetter abgesagt
Die Läufer waren zwar enttäuscht, reagierten aber mit Verständnis.
Die Sonne erschien über dem Nordpark, als sich die Miene von Micky Hilgers auf der Bühne verfinsterte. Vor ihm standen mehr als tausend Starter des Santander-Marathons, er hatte sie vor die Bühne gebeten, als eigentlich schon die ersten Läufer auf der Strecke hätten sein sollen. Und Hilgers überbrachte ihnen persönlich die Botschaft, die in den Minuten zuvor in den Büros der Leitstelle getroffen worden war: Der Santander-Marathon in Mönchengladbach findet nicht statt. Seufzer hallten über das Gelände, Menschen, die viele Monate auf diesen Tag hingearbeitet hatten, umarmten sich, Starter hörten sich die Worte Hilgers’ an: „Das ist uns wahnsinnig schwergefallen. Aber die Gesundheit aller, der Läufer, Besucher und Mitarbeiter, geht vor.“
In der halben Stunde zuvor waren über Teilen der Stadt Unwetter niedergegangen. Starkregen und Hagelkörner mit mehreren Zentimetern Durchmesser prasselten vom Himmel, Donnergrollen ertönte, und der Deutsche Wetterdienst hatte eine amtliche Unwetterwarnung ausgesprochen und vor schweren Gewittern, heftigem Starkregen und weiteren Hagelschlägen gewarnt. Ein Unwetter, das letztlich doch nicht über der Stadt herzog. Aber das Risiko war real.
Im Nordpark und an den anderen Teilen der Strecke machte sich Enttäuschung breit, aber auch Verständnis. „Wenn man hört, was bei Rock am Ring passiert ist, ist es die richtige Entscheidung. Dafür habe ich absolut Verständnis“, sagte etwa Starter Hubert Verhoeven. „Die Absage ist richtig, sonst wird keiner mehr glücklich. Für die Stadt wird es eine nächste Gelegenheit geben“, sagte Stefan Wolff. Ob es in diesem Jahr noch einen Nachholtermin geben wird, ist ungewiss.
Zu diesem Zeitpunkt hatten sich an vielen Stellen Leute zum Feiern und Anfeuern an der Strecke getroffen. Grills waren aufgebaut, Bier kalt gestellt. DJs wollten sechs aufwendig gestaltete Bühnen entlang der Strecke bespielen. Am Morgen hatten Ordnungsamt und Abschleppdienste vielerorts Autos von der Strecke entfernt, die GEM schrubbte die freien Straßen mit sechs Kehrmaschinen. Kurz nach der Absage war der Abbau entlang der Strecke schon wieder beendet und die Straßen für den Verkehr freigegeben.
Mehr als 3000 Läufer hatten sich zum ersten Gladbacher Marathon nach 30 Jahren angemeldet. Unter ihnen Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners. „Das ist eine riesige Enttäuschung. Die Leute sind teilweise von weit her gekommen, das tut mir total leid für alle. Aber bei einer amtlichen Unwetterwarnung kann das keiner verantworten“, sagte Reiners. „Vielleicht denken alle Leute, die der Veranstaltung nur wegen gesperrter Straßen Schlechtes gewünscht hatten, jetzt noch einmal nach.“ In sozialen Netzwerken hatte es hitzige Debatten gegeben, in manchen Posts wurde Schadenfreude geäußert. „Das ist einfach schlechter Stil“, schimpfte Reiners.
Derweil machten sich einige Läufer nach der Absage in eigener Verantwortung auf die Strecke und liefen ihren persönlichen Marathon — so auch Boris Wolkowski, Ratsmitglied der Grünen. „Ich habe lange auf meinen ersten Marathon hintrainiert, da wäre es sehr unbefriedigend gewesen, gar nicht zu laufen. Allerdings bin ich nur zwei, drei Kilometer auf der ursprünglichen Strecke geblieben und habe mir mit einer Lauf-App eine eigene Strecke entworfen“, sagte Wolkowski, der wegen seiner Startnummer von Passanten noch als Marathonläufer erkannt wurde. „Einige Menschen haben applaudiert. Ich hatte den Eindruck, dass viele Bürger Lust auf den Marathon hatten.“
Trost gab’s aus Duisburg: Die Veranstalter des dortigen Rhein-Ruhr-Marathons gewährten gestern allen verhinderten Startern 20 Euro Nachlass auf die Startgebühr. Das sorgte dort für einen Teilnehmerrekord: 370 Gladbacher Starter traten gestern in Duisburg an.