Bilanz in Mönchengladbach Fleisch-Branche in Sorge

Mönchengladbach. · Nach Ausbrüchen im Kreis Gütersloh und Moers sind fleischverarbeitende Betriebe im Fokus. Im Mai wurden alle Mitarbeiter solcher Unternehmen in der Stadt negativ getestet. Neue Tests sind derzeit nicht geplant. Eine Zwischenbilanz der Pandemie.

Bilder aus einer vergangenen Zeit: Am 7. März spielte Borussia Mönchengladbach gegen Borussia Dortmund noch vor Zuschauern um Punkte in der Bundesliga.

Foto: dpa/Bernd Thissen

Epidemiologisch gesehen dürften der 15. und 16. Juni als die besten Tage der vergangenen Wochen gelten. An diesen beiden Tagen waren nur 27 Menschen in Mönchengladbach mit dem neuartigen Coronavirus infiziert. Eine so geringe Zahl hatte es seit Ende März nicht mehr gegeben. Inzwischen gibt es wieder mehr Infizierte in der Stadt. Am Mittwoch etwa war die Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in einem Zeitraum von sieben Tagen auf 9,2 gestiegen. Nach Ansicht des Mönchengladbacher Gesundheitsamtes war das jedoch kein Anlass, beunruhigter zu sein als Mitte Juni, als dieser Wert zeitweilig bei 3,4 lag. Schließlich war er schon wesentlich höher. „Die 35 haben wir in Mönchengladbach nie überschritten“, sagt Wolfgang Ditz, Abteilungsleiter im Gesundheitsamt. Als Obergrenze, die verschärfte Schutzmaßnahmen erforderlich macht, gilt 50.

Gibt es in der Stadt Betriebe mit ähnlichen Risiken wie beim Fleischverarbeiter Tönnies in Gütersloh?

Nach Ansicht des Gesundheitsamtes nicht. Als im Mai ein Schlachthof in Coesfeld zum Corona-Hotspot wurde, hat die Stadt auf Weisung des Landesgesundheitsministers in vier fleischverarbeitenden Betrieben das Personal auf Corona getestet. Ergebnis: keine Infizierten. Diese Betriebe seien mit 40 bis 60 Beschäftigten wesentlich kleiner als Tönnies, sagt Ditz. Und vor allem: Es gebe dort keine Leiharbeiter, die in Gemeinschaftsunterkünften wohnen. Große Betriebe in anderen Branchen mussten Hygienekonzepte erarbeiten. Diese seien vielfach auch mit dem Gesundheitsamt besprochen worden. Die Stadt versichert, sie habe ein Auge darauf. Bei Begehungen habe es keine Beanstandungen gegeben. Nach einem Corona-Ausbruch in einem Moerser Fleischbetrieb bekräftigte die Stadt am Donnerstag: „Derzeit gibt es keine Anhaltspunkte für ein überregionales Infektionsgeschehen, das von den fleischverarbeitenden Betrieben oder Zerlegebetrieben ausgeht.“ Eine neue Testreihe ist derzeit nicht vorgesehen.

Was sagen die Betriebe?

Kasteel Fleisch ist ein traditionsreicher Zerlegebetrieb. Dort sind Werkverträge bereits seit Jahren abgeschafft, die 50 Mitarbeiter sind direkt angestellt. „Das Thema Kühlanlagen muss man aber im Auge behalten“, sagt Geschäftsführer Stefan Kasteel. „Wenn wir über Kühlanlagen reden, ist aber auch die Frage, was mit anderen Umwälzungsanlagen wie etwa Klimaanlagen im Büro ist.“ Kasteel betont die enge Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt. „Wir beobachten die Gesundheit unserer Mitarbeiter genau und erwägen angesichts der neuen Lage, über unseren Betriebsarzt erneut alle Beschäftigten zu testen“, sagt Kasteel. Der Betrieb Schulte + Sohn Fleischwaren, der auch die Marke Gourmetfleisch.de betreibt, hat ebenfalls eine Reihe Maßnahmen zum Schutz vor Infektionen ergriffen. Die seien auch überprüft worden. „Alle 110 Mitarbeiter wurden getestet, alle Tests waren negativ“, sagt Sprecher Simon Rüttermann. Eventuell werde nun eine zweite Testreihe folgen nach den jüngsten Fällen auch in Moers.

Gibt oder gab es besondere Infektionsherde in Gladbach?

Altenheime waren zeitweilig besonderes betroffen. Derzeit hat sich die Lage dort wieder entspannt. Nur ein infizierter Bewohner war am Mittwoch in Quarantäne. In den ersten Tagen der Pandemie ihatten sich Infizierte entweder in Österreich oder durch Kontakte im Kreis Heinsberg angesteckt. Doch mit der Ausbreitung der Krankheit in der größeren Region und in Deutschland weitete sich das Bild. Abgesehen von den Altenheimen hat das Amt keine Infektions-Schwerpunkte festgestellt.

Wie sieht es mit Gemeinschaftsunterkünften für Obdachlose und Flüchtlinge aus?

 Konzepte, wo und wie man Infizierte aus Unterkünften unter Quarantäne stellen könne, habe sie, sagt die Stadt. In der Erstaufnahme-Unterkunft im ehemaligen JHQ etwa gebe es ausreichend Platz und auch Gebäude, in denen man Infizierte unter Quarantänebedingungen unterbringen könne. Bislang habe es aber noch keinen Infektionsfall in den Unterkünften gegeben.

Und das umstrittene Fußballspiel von Borussia Mönchengladbach gegen Dortmund im Nordpark?

„Es ist kein Fall bekannt, dass sich ein Zuschauer bei diesem Spiel angesteckt hat“, sagt Stadtarzt Ditz, „und wir haben dazu auch bei den Kollegen in Dortmund nachgefragt.“ Lediglich ein Besucher des Spiels habe sich zwei Wochen später als infiziert erwiesen. Doch dieser Besucher sei gleich nach dem Spiel nach Österreich gereist. Es sei eher davon auszugehen, dass er sich dort angesteckt habe.

Kann sich jeder auf Covid-19
testen lassen?

Ob ein Test erforderlich ist und gemacht wird, könne der Hausarzt entscheiden, so die Stadt. Sie selbst veranlasse Tests gemäß den geltenden Richtlinien des Robert-Koch-Instituts. „Diese Richtlinien haben sich allerdings im Laufe der Zeit mehrfach geändert“, sagt Ditz. Derzeit werden nicht nur Menschen mit Symptomen, sondern auch Kontaktpersonen von Infizierten getestet. Ohne Anlass zu testen, ergibt aus Sicht des Gesundheitsamtes keinen Sinn. Wer nicht unter die Richtlinien des RKI fällt, symptomfrei ist, keinen Kontakt zu Infizierten hatte und einen Test nur haben will, etwa weil er verreisen möchte, wird sich vom Amt sagen lassen müssen, dass er den Test dann selbst zahlen muss.

Gibt es noch Engpässe bei Schutzkleidung wie zu Beginn der Pandemie?

Derzeit nicht, sagt das Gesundheitsamt.

Hat die Eindämmung der Pandemie nach Ansicht der Stadt funktioniert?

„Die Schutzmaßnahmen haben gewirkt“, findet Wolfgang Ditz. Und zwar nicht nur in Bezug auf Covid-19. Der Lockdown habe auch dafür gesorgt, dass die saisonal zu erwartende Influenza „quasi ausgefallen“ sei.