Neues Programm: Zirkus Roncalli knipst den Alltag aus

Das Ensemble des Circus Roncalli präsentiert sein neues Programm auf dem Geroplatz.

Foto: Jörg Knappe

Mönchengladbach. Zeit ist Geld. Diesen Ausspruch hat wohl jeder schon mindestens einmal gehört. Auf dem Geroplatz ticken die Uhren derzeit jedoch etwas anders. Denn der Circus Roncalli hat dort seine Zelte aufgeschlagen und präsentiert vor 1500 begeisterten Zuschauern das neue Programm „Time is Honey“ („Zeit ist Honig“).

Mehr als 100 Meter ist die Schlange der Gäste, die auf den Einlass warten. Ein älteres Ehepaar diskutiert angeregt über Politik, ein Mann berichtet seiner Begleiterin wort- und gestenreich, dass im Büro wieder einmal „Land unter“ und die Situation einfach unerträglich ist. Dann kam Bewegung in die Schlange — und bereits im Vorzelt wähnt man sich in einer anderen Welt. Und die Alltagssorgen, so scheint es, bleiben draußen.

"Time is Honey": Zirkus Roncalli bleibt bis April
78 Bilder

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Mit jedem Schritt gehen die Mundwinkel ein Stück weiter nach oben. Es duftet nach Popcorn, Konfetti fliegt durch die Luft, das Orchester spielt und Artisten malen den Besuchern Herzen auf die Wange oder einen roten Punkt auf die Nase. Darunter auch Familie Hohmeyer, die extra aus Essen angereist ist: „Wir sind große Roncalli-Fans, da ist kein Weg zu weit. Und wir freuen uns riesig auf den Abend.“

Mit den Worten „Kommen Sie in unsere Herzen, werden Sie Kind, werden Sie Clown“, begrüßt Patrick Philadelphia, der als Betriebsleiter beispielsweise für den Aufbau des Zeltes verantwortlich ist, aber in der Rolle des leicht überheblichen Sprechstallmeisters auch durch den Abend führt, die Gäste, bevor er mit sonorer Stimme verkündet: „Manege frei! Das Spiel beginnt!“

Das Spiel — das sind rund zweieinhalb Stunden (plus Pause) beste Unterhaltung. In der Manege stehen rund 30 der weltbesten Artisten. Für den ersten langanhaltenden Beifall des Abends sorgt das Circustheater Bingo. Während des Auftritts des Quintetts mit den punkigen Frisuren passiert vieles parallel: Die Blicke der Besucher wandern immer wieder von unten, wo ein Artist mit einem Brett auf vier Rohren balanciert, nach oben, wo der Rest der Truppe an Bändern waghalsige Verrenkungen vollführt und über die Köpfe der Premierengäste „fliegt“.

Elefanten und Raubkatzen gibt es im Circus Roncalli nicht — wohl aber eine wunderbare Pferdedressur von Karl Trunk, der eindrucksvoll beweist, dass auch Kleine ganz groß sein können. Seine Tiere, darunter Mini-Shetlandponys mit einem Stockmaß von gerade einmal 70 Zentimetern, flechten Tücher, umrunden im Slalom die aufgestellten Stangen und gehen brav ins Bett, zumindest nachdem Patrick Philadelphia noch ein Kissen organisiert hat.

Höhepunkt des ersten Teils ist das Trio Laruss. Als die Musik erklingt, erwachen in der Manege die drei scheinbar verwunschenen Statuen zum Leben. Mit elegant-fließenden Bewegungen gleiten die makellosen Körper scheinbar schwerelos durch den Raum.

Nach der Pause begeistern die Rokashkovs am quadratisch aufgebauten Reck mit waghalsigen Salti und einer liebevollen Geschichte: Drei junge Männer buhlen um die gleiche Frau. Um ihr zu imponieren, vollführen sie an einem quadratischen Reck kühne Sprünge — mit einem „Happy End“.

Plötzlich gesellt sich auch Circusdirektor Bernhard Paul, der in Mönchengladbach selbst nicht in der Manege steht, unter die Zuschauer. Der Grund ist eine ganz besondere Weltpremiere: Erstmals treten seine Kinder Vivian, Adrian und Lili Paul gemeinsam mit einer Rollschuhnummer auf. Zwei Jahre hatten die Geschwister heimlich nachts trainiert. Aus Angst der Vater könnte ihre Leidenschaft für diesen temporeichen Nervenkitzel nicht teilen, schlichen sie sich täglich nach der letzten Vorstellung ins dunkle Roncalli-Zelt und weihten nur die wichtigsten Kollegen in ihr Vorhaben ein. Am Ende der Nummer klatschen nicht nur die Gäste, auch Bernhard Paul strahlt — sichtbar stolz auf seine Kinder — und applaudiert. Und so ist es wohl für alle ein ganz besonderer Abend, an dem die Zeit wie Honig fließt.