Neun Jahre für Todesfahrt
Der Richter wertete die Unfallflucht des angeklagten Dachdeckers im April als versuchten Mord.
Mönchengladbach. Für neun Jahre muss Michel M. (28) ins Gefängnis. Dieses Urteil fällte gestern das Mönchengladbacher Landgericht - für fahrlässige Tötung, Fahren ohne Fahrerlaubnis und versuchten Mord.
Die Kammer sah es als erwiesen an, dass der Dachdecker in der Nacht vom 27. auf den 28. April an der B 57 den Radfahrer Bernd S. anfuhr und schwer verletzt auf der Straße liegen ließ.
Bernd S. war mit dem Kopf gegen einen Betonpfeiler geschlagen. Ein anderer Autofahrer fand ihn und alarmierte die Rettungskräfte. Doch das 26-jährige Unfallopfer starb nach einer Not-Operation im Krankenhaus.
Michel M. hatte nicht angehalten - denn er hatte getrunken und war ohne Führerschein unterwegs. So zumindest begründete er sein Verhalten den Ermittlern, die ihn einige Tage nach der Tat festnahmen. Die Spur zu ihm hatten sie über den Mercedes Sprinter gefunden, dessen Glasreste sich an der Unfallstelle befanden.
Bei der Polizei und der Ermittlungsrichterin hatte Michel M. die Tat eingeräumt. Als im Oktober der Prozess begann, wollte er sich plötzlich an nichts mehr erinnern. In seinem Kopf seien nur noch Fetzen des Abends vorhanden. So erinnere er sich an eine Party, an das Display seines Autoradios und an einen Knall. Aufgewacht sei er am Morgen auf dem Beifahrersitz des Sprinter vor dem Haus, in dem er wohnte.
Diese Einlassung löste bei der Familie des Opfers - Vater und Bruder traten im Prozess als Nebenkläger auf - Entsetzen aus. Auch Richter Lothar Beckers ließ keinen Zweifel: "Das glauben wir Ihnen nicht. Solche Art von Gedächtnisverlust gibt es nicht." Durch Zeugenaussagen im Prozess fügte sich dann das Bild, dass M. tatsächlich der Todesfahrer gewesen sein müsse.
Der Staatsanwalt beantragte zwölf Jahre Haft, die Nebenkläger plädierten für lebenslänglich.
In seinem Urteil sah der Richter den Unfall als fahrlässige Tötung, zu der das Fahren ohne Fahrerlaubnis hinzukomme. Dadurch, dass der Mann aus Rheindahlen nicht den Notruf wählte, sondern einfach davonfuhr, wurde es eine Unfallflucht. Der niedere Beweggrund, nämlich dass M. durch diese Flucht vertuschen wollte, dass er alkoholisiert und ohne Führerschein unterwegs war, mache es zum versuchten Mord.
Zum "versuchten" deshalb, weil Bernd S. nach Aussagen der Ärzte auch dann gestorben wäre, wenn er sofort Hilfe bekommen hätte. "Die Verletzungen waren zu schwer", sagte Gerichtssprecher Joachim Banke zusammenfassend.
Wäre das anders gewesen und Bernd S. nur deshalb gestorben, weil er so lange auf Hilfe warten musste, hätte man M. auch wegen Mordes lebenslang ins Gefängnis schicken können - so, wie es die Familie des Toten in der Nebenklage gefordert hatte.