Rheydter Seriendieb beschäftigt Minister
115 Ermittlungsverfahren, aber noch kein Prozess: Das Justizministerium nimmt sich des Mannes an, der seit zwei Jahren Händler bestiehlt.
Einige Geschäftsleute von Rheydt hatten schon kapituliert. Am Anfang zeigten sie den Mann, der beinahe täglich in der City auf Beutezug geht, ja noch bei jedem erwischten Diebstahl an. Als der Seriendieb jedoch nach einem Jahr immer noch frei herumlief, gaben viele auf. Sie hatten den Glauben in die Justiz verloren. „Warum sitzt der Seriendieb, gegen den es schon 115 Ermittlungsverfahren gibt, immer noch nicht hinter Gittern?“ Diese Frage beschäftigt auch heute noch Ladeninhaber, Verkäufer und Kunden. Sie setzen jetzt alle Hoffnungen in NRW-Justizminister Thomas Kutschaty. Bei einem Gespräch in Düsseldorf übergab Dr. Peter Achten, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Nordrhein-Westfalen, Eingaben von Geschäftsleuten aus Rheydt zum bundesweit in die Schlagzeilen geratenen Falls des Seriendiebs. Und dabei soll Kutschaty versichert haben, dass sich das Ministerium des konkreten Themas annehme.
Wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft bestätigte, wurde der Seriendieb im März vergangenen Jahres wegen gewerbsmäßigen Diebstahls in 25 Einzelfällen angeklagt. Im Dezember sei eine weitere Anklage nachgeschoben worden: Der Vorwurf lautete wieder auf gewerbsmäßigen Diebstahl, diesmal in 24 Fällen. Dazu kommt ein räuberischer Diebstahl. Die Anklage liegt bei Gericht. Doch zu einem Prozess ist es noch nicht gekommen.
„Der läuft immer noch frei herum und klaut“, sagt Roland Beeten, Inhaber des gleichnamigen Textilhauses in Rheydt. „Ich habe den Dieb erst gestern wieder gesehen, wie er mit drei Packungen T-Shirts durch die Fußgängerzone lief“, sagt der Geschäftsmann. Und: „Jetzt stiehlt der Mann schon seit zwei Jahren in unseren Geschäften. Das muss endlich ein Ende haben.“
Roland Beeten gehört zu denen, die noch nicht aufgegeben haben. Er zeigt den Dieb jedes Mal an. Der Inhaber des Textilhauses hat bereits zahlreiche Beschwerdebriefe geschrieben. Und als alles nicht fruchtete, zeigte er sogar die Staatsanwaltschaft wegen Untätigkeit an. Schließlich hätte sie dafür sorgen können, dass der Wiederholungstäter in Untersuchungshaft kommt. Doch Beetens Anzeige wurde als unberechtigt abgelehnt.
Roland Beeten, Inhaber des gleichnamigen Textilhauses in Rheydt
Man könne de Mann nicht in Sicherungshaft nehmen, da bei dem beschuldigten weder Flucht- noch Vertuschungsgefahr bestünde. Und auch der Haftgrund „Wiederholungsgefahr“ dürfe laut Gesetz nur bei einer „schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechtsordnung“. Dabei spiele auch die Höhe des Schadens eine Rolle. Der müsse 1000 Euro pro Einzelfall, also pro Diebstahl übersteigen.
Der Seriendieb hat schon teures Parfüm gestohlen, aber auch einzelne Sockenpaare. Insgesamt summiert sich der Schaden angesichts der Zahl der Fälle aber wohl auf einen Vertrag, der 1000 Euro um Vielfaches übersteigt. Schätzungen sind schwer möglich. Keiner weiß, wie viele Diebstähle unentdeckt blieben. Und etliche Taten wurden gar nicht mehr angezeigt.
Dass Ladendiebstähle zunehmend wie Bagatellen behandelt werden, macht auch dem Handelsverband Deutschland Sorgen. Bundesweit würden jährlich 400 000 Ladendiebstähle mit einer geschätzten Dunkelziffer von 95 Prozent. Der jährliche Schaden liege bei zwei Milliarden Euro.
Das in der Justizministerkonferenz auf Bundesebene vorgebrachte Anliegen, Ladendiebstahl zukünftig als Ordnungswidrigkeit herabzustufen, veranlasste den Präsidenten des Handelsverbandes, Michael Raudau, das Gespräch mit Thomas Kutschaty zu suchen. Peter Achten war dabei und übergab bei der Gelegenheit den Vorgang aus Rheydt persönlich an den nordrhein-westfälischen Justizminister.