Spanische Gemeinde/Porträt: Die deutsche Andalusierin

In diesem Jahr feiert die spanische Gemeinde Mönchengladbach 50-jähriges Bestehen. Dolores García Castel, die aus einem kleinen Dorf bei Cordoba stammt, hat der WZ ihre Geschichte erzählt.

Mönchengladbach. Wenn sie an die Armut in ihrer Kindheit denkt, wird die lebenslustige Dolores "Lola" García Castel noch immer traurig. "Das Leben in Spanien war hart, wir hatten nur eine ganz kleine Wohnung", erzählt die 55-jährige Leiterin des Spanischen Familienvereins Rheydt und wischt sich die Tränen aus den Augenwinkeln.

Die 50er Jahre: Die Familie mit acht Kindern - vier Jungen, vier Mädchen - lebt in einem kleinen Dorf in der Nähe der Stadt Cordoba. Vater Alfonso schuftet als Lohnarbeiter auf dem Feld. Um die Familie ausreichend ernähren zu können, geht er nach der Arbeit auf Kaninchenjagd.

Dann hört er von der Möglichkeit, in Deutschland Geld zu verdienen - und das Leben der Familie nimmt eine schicksalshafte Wendung. Ohne Frau und Kinder verlässt er die Heimat, um in der Gegend von Aachen als "minero", als Kumpel im Bergbau zu arbeiten.

"Eigentlich wollte er 1961 nur für ein Jahr nach Deutschland gehen und Geld schicken", erzählt die Tochter. Doch dann entscheidet er sich endgültig, das Glück für sich und seine Familie in der Fremde zu suchen. Seine Frau sagt zu ihm: "Entweder du bleibst hier bei uns, oder wir kommen mit dir."

Also macht sich die Großfamilie 1968 gemeinsam auf und findet ein Domizil in Lürrip. Später zieht sie nach Rheydt. Vater Alfonso arbeitet bei einer Textilfirma, dann bei einem stahlverarbeitenden Unternehmen. Dort ist auch ein junger Spanier namens Manuel beschäftigt - mit dem Dolores García Castel inzwischen seit über 35 Jahren verheiratet ist.

Vor ihrem Aufbruch ins 2000 Kilometer entfernte Deutschland hat sich die junge Lola die neue Heimat als "das Paradies" vorgestellt. In der Realität ist es allerdings ein Paradies mit Macken: Das Wetter am Niederrhein ist im Vergleich zum Klima in Andalusien eine Katastrophe, und anders als in ihrem Heimatdorf darf die Jugendliche in der fremden Großstadt nirgendwo alleine hin.

Hinzu kommt die neue Sprache: Beim Einkaufen im Tante-Emma-Laden muss ihre Mutter muhen wie eine Kuh oder gackern wie ein Huhn, damit die Verkäuferin versteht, dass sie Milch und Eier will. Als Lola in der Schule das Wort "Küche" vorlesen soll, sagt sie immer "Kusche". Der Umlaut Ü will ihr einfach nicht über die Lippen gehen. Schließlich bittet sie der Lehrer, doch mal "Küssen" zu sagen - was auf Anhieb klappt. Daraufhin habe der Lehrer gescherzt: "Siehst du, Küssen kannst du sagen", und die ganze Klasse habe gelacht, erinnert sich die heute fließend Deutsch sprechende Andalusierin.

Wirklich schlechte Erfahrungen mit Deutschland und den Menschen hier habe sie nie gemacht, betont die Rheydterin mit spanischem Pass. Und während ihr Sohn Francisco (34) mit seiner spanischen Frau - die in Königswinter geboren wurde -, wieder zurück gegangen ist, hat ihre Tochter Maria (29) inzwischen einen deutschen Mann und Nachnamen.

Die Eltern wissen noch nicht, ob sie sich nach der Rente dort zur Ruhe setzen sollen, wo lauter Trubel genauso zum Alltag gehört wie der Sonnenschein und das gute Essen. Denn die Jahrzehnte in Deutschland haben Spuren hinterlassen bei Dolores García Castel, genannt Lola. So muss sie zugeben: "Wir sind das spanische Leben einfach nicht mehr gewöhnt."