Stürmischer Tag auch in Rheydt

In anderen Orten bestimmte der Wind das Geschehen, in Rheydt war es der Rathaussturm.

Wer das Rathaus erobern will, muss entweder die OB-Wahl gewinnen. Oder mit der Prinzengarde Anlauf nehmen. Dann geht es mitunter sehr schnell. Als Hans Wilhelm Reiners — der 2014 den Umweg über die Wahl erfolgreich genommen hatte — gestern beim Rathaussturm in Rheydt die weiße Fahne vom Balkon aus schwenkte, da waren die ersten Gardisten längst in den Ratssaal vorgedrungen; gefolgt von den Prinzenpaaren Michael II. und Niersia Monika und Philipp I. und Anna-Leonie I.

Die erste Attacke der Prinzengarde scheiterte noch am Widerstand der Stadtgardisten am Rathaus-Portal. Und sie zeigte, dass Ex-OB Norbert Bude, der eigentlich sämtliche Geheimgänge in und auswendig kennen müsste oder wenigstens einen Nachschlüssel haben sollte, eben gerade dies nicht hat. Er probierte sich mit der Gladbacher Garde erfolglos am Rathaussturm. Bei der dritten Welle aber brachen die ersten Frauen der Großen Rheydter Prinzengarde dann um 11.48 Uhr durch — und kurz darauf triumphierten die närrischen Hoheiten auf dem Rathaus-Balkon, reckten den Stadtschlüssel in die Höhe und sangen ihr Sessionslied. Dieser Sturm machte den Jecken Spaß, nachdem zuvor der Rheydter Zug wegen der Unwetterwarnung abgesagt worden war.

Unten auf dem gut gefüllten Rheydter Marktplatz (bei Sonnenschein übrigens) jubelten viele Jecke mit. Darunter auch Flüchtlinge mit Kindern. „Junge Menschen, die vor kurzem zu uns gekommen sind, haben zusammen ohne Sprachkurs ,Halt Pohl’ gerufen und sich wohlgefühlt in dieser weltoffenen Stadt“, sagte MKV-Chef Bernd Gothe. „Dieses Kompliment hat mich am meisten begeistert, darauf sind wir stolz. Mitzufiere ist der beste Weg zo integriere.“ OB Reiners sagte beim Rededuell mit Gothe um die Hoheit im Rathaus: „M’r stonnt zesahme, dat iss Pflicht, Armlänge Abstand brauchen wir nicht.“ Dann sei es ihm auch egal, wenn ein kroatischer Botschafter etwas über den MKV-Flyer mit Karnevals-Knigge für Flüchtlinge zu meckern habe. Im traditionellen Wortgefecht beschwerte sich Gothe, Gladbach habe noch zu viele Baustellen, auch wenn viel geschafft sei: „Sich auf dem Minto auszuruh’n, wär falsch / daneben gibt’s zu tun.“ Reiners pries natürlich die Errungenschaften einer Stadt im Wandel, deren Schuldenuhr nun sogar um 19 Cent die Sekunde rückwärts läuft. „Wir wissen auch, dass diese Stadt / noch Einiges zu machen hat.“ Und „Jlöv et, m’r donnt he, war m’r könne.“

Im Ratssaal feierten noch mehrere Hundert Gäste die Machtübernahme der Gladbacher Karnevalisten. Reiners verteilte als tapferer Verlierer des Tages den Orden des Oberbürgermeisters an die närrischen Eroberer. „Ihr habt das klasse gemacht. Danke für eine tolle Session“, lobte er die beiden Prinzenpaare. Prinz Michael II. und Niersia Monika riefen die Jecken auf, nach erfolgreichem Rathaussturm nun auch heute zum Veilchendienstagszug zu kommen — auch wenn’s regnen sollte. „Dann machen wir halt einen Kamelleregen draus.“ Als das Kinderprinzenpaar dem MKV-Boss noch ein Geschenk überreichte — natürlich eine Elefantenfigur — bedankte der sich überschwänglich bei Philipp I. und Anna-Leonie I., die viele Menschen in der Stadt begeistert haben: „Ich werde euch noch im Rollstuhl zujubeln, wenn ihr das große Prinzenpaar seid.“