Tödlicher Würgegriff: Ex-Polizist angeklagt
Wegberg/Mönchengladbach. Was die entscheidende Frage in diesem Prozess sein wird, hat sich schon am Mittwoch beim Prozessauftakt herauskristallisiert. Wann hat Peter J. sein Opfer losgelassen?
Wegberg/Mönchengladbach. Was die entscheidende Frage in diesem Prozess sein wird, hat sich schon am Mittwoch beim Prozessauftakt herauskristallisiert. Wann hat Peter J. sein Opfer losgelassen?
Es geht um den Tod eines 35-Jährigen am 22. August 2010. Der soll in Peter J.s Bistro zu später Stunde andere Gäste angepöbelt haben. Als der 56-jährige Wirt, der bis 1990 im Polizeidienst war, ihn vor die Tür setzen wollte, gehorchten er und sein Freund nicht. Nachdem J. seinen Gast nicht beruhigen konnte, wollte er ihn vor die Tür befördern. J.s Frau hatte inzwischen die Polizei angerufen. Aber die war noch nicht da.
Übereinstimmend mit der Anklage erzählt J. vor Gericht, er habe nach dem Arm des 35-Jährigen gegriffen, um ihm diesen auf den Rücken zu drehen, damit er ihn hinausschieben hätte können. Stattdessen aber habe das Opfer seinen Arm nach vorn gezogen, ihm in den Oberarm gebissen. Vor Schmerz habe er losgelassen.
Dann seien beide ins Straucheln gekommen. Der 35-Jährige war „erheblich alkoholisiert“, einen genauen Wert nennt die Anklage nicht. Auf dem Boden habe J. gemerkt, dass er über dem anderen zu liegen gekommen sei und einen „Hebel“ angesetzt.
Diesen Hebel mit den Armen bezeichnet Staatsanwältin Carola Guddat als „Richard“, einen Polizeigriff, der wegen seiner Gefährlichkeit in Deutschland seit langem nicht mehr angewendet werde. Landläufig wird eine solche Aktion auch Schwitzkasten genannt. Dass es ein alter Polizeigriff gewesen sein könnte, will J. nicht gelten lassen.
Er habe instinktiv gehandelt, Angst vor dem Mann gehabt, der nicht nur 20 Jahre jünger, sondern auch größer und kräftiger gewesen sei als er. Er habe den Griff auch immer wieder gelockert, den unten Liegenden gefragt, ob er sich nun beruhigt habe. Statt einer Antwort habe dieser sich jedoch immer wieder massiv gewehrt. J. will nicht nur gespürt haben, dass der Körper sich immer wieder anspannte, sondern auch, dass der Mann noch atmete.
Schließlich habe man „Gesicht an Gesicht“ gelegen. Als der Körper plötzlich erschlafft sei, habe er sofort abgelassen, den Mann herumgedreht und versucht, ihn aufzuwecken. Unmittelbar zuvor habe ein Gast gesagt: „Du kannst loslassen, der ist eingeschlafen.“ Das bestätigt auch der wegen Beihilfe angeklagte Pascal B. (26). Der Aushilfskellner war auf J.s Rufen hin hinzugekommen und hatte den rechten Arm des Opfers festgehalten, weil der 35-Jährige damit um sich geschlagen habe.
Er habe nach einem Eimer Wasser gerufen, um den scheinbar Schlafenden zur Besinnung zu bringen. „Ich habe nicht einen Moment gedacht, dass da etwas passiert sein könnte“, sagt J. Der Freund des Randalierers, der auch in die Auseinandersetzung verwickelt gewesen war, habe sich als Ersthelfer zu erkennen gegeben und um seinen Kumpel bemüht.
Er selbst habe mit den eintreffenden Polizisten gesprochen. Erst als der Notarzt ein weißes Tuch über den still liegenden Körper gebreitet habe, sei ihm bewusst geworden, was geschehen sei. Seine Familie sei in der Folgezeit bedroht worden, habe sich 14 Tage verstecken müssen. Auch am Abend vor Prozessbeginn habe es wieder Drohanrufe gegeben. Als Nebenklägerin tritt die Frau des Opfers auf. Sie ist nun allein mit zwei kleinen Mädchen.
Seine Mutter kann im Zuschauerraum die Tränen kaum zurückhalten. Sie glaubt nicht, was J. sagt. Auch seine Schwiegermutter ist fassungslos. „Er hat nichts gemacht, niemanden geschlagen. Und wenn er es getan hätte, dann hätte er sich eben dafür verantworten müssen. Aber jetzt ist er tot.“ Zeugen sollen nun Licht ins Dunkel bringen: Wann hat Peter J. losgelassen? Wie groß ist seine Schuld? Der Prozess wird am 21. Mai fortgesetzt.