Tourauftakt: David Garrett begeistert 7900 Zuschauer
Der Star-Geiger eröffnete die Open-Air-Konzert-Saison im Sparkassenpark.
Auf der Bühne taucht die Erde auf. Das Orchester spielt Strauss’ „Zarathustra“, auf den Leinwänden schiebt sich die blaue Kugel ins Bild, Schöpfungstag, ganz großer Pomp. Und plötzlich ist da dieser Geigenklang: Doppelgriffe, satter Strich.
David Garrett ist mitten unter den Leuten aufgetaucht. Robbie Williams’ „Let Me Entertain You“ spielt er und wandelt dabei nach vorn zur Bühne. Die Leute stehen längst, machen Fotos vom Star, der ihnen gleich zu Beginn so nahe gekommen ist. Dann ist Garrett schon oben bei seiner Band, bei seinem Orchester. „Hallo Mönchengladbach“, ruft er. Die Leute jubeln. Maximale Ouvertüre. Der Teufelsgeiger beginnt sein Werk.
Mit Garretts „Classic Revolution“ hat am Wochenende der Open-Air-Sommer im Sparkassenpark begonnen. 7900 Zuschauer nahm der Geiger mit auf seinen Ritt durch die Musikepochen. Bruce Springsteen, Abba, Carl Orff, Deep Purple, Verdi, Nirvana — Garrett schert sich nicht um die Grenzen zwischen U- und E-Musik, er hängt aneinander, was ihm gefällt, was maximalen Effekt verspricht, und macht das so gekonnt, so überzeugt von seiner Sache, dass die Übergänge nicht wehtun. Er spielt ja seine Version der Leckerbissen der Musikgeschichte, und wenn er mit „Babuschka“ russische Volksmusik anstimmt, dann lässt er eben Balkan-Beats hämmern, und wenn er aus Mozarts Requiem das „Lacrimosa“ spielt, dann inszeniert er eine Grufti-Rockoper. Jedes Stück ein Höhepunkt, darum maximale Kontraste: Auf Klassik folgt Heavy Metal, folgt Pop.
Und alles hört sich nach Garrett an, ob er nun zu Bon Jovis „Livin’ on a Prayer“ mit maximalem Saitendruck gegen die Bässe angeigt oder sich im virtuellen Duett mit Andrea Bocelli in den Schnulzenhimmel schraubt, stets gehört der Geige der Triumph. Garrett will bezirzen, verführen, überwältigen — darum ist er gut.
Zwischendurch plaudert der Geiger aus dem Tourleben. Zeigt Schnappschüsse, Garrett schlafend im Wagen mit Kissen auf dem Bauch. Oder er erzählt Anekdoten, wie seine Mutter in seinem New Yorker Appartement abgelaufene Butter im Kühlschrank findet und dem Sohn besorgte Sms schreibt. Das klingt arg auswendig gelernt, aber natürlich sind selbst diese Geschichten irgendwie sympathisch. Garrett ist gleichwohl am besten, wenn er geigt, wenn er Verdis „Requiem“ in eine James-Bond-Musik verwandelt und dabei seine Virtuosität ausspielt.
Bei ihm hat das nichts Vergeistigtes, Weichliches. Garrett trägt schwere Schuhe, Jeans, T-Shirt mit Tigerkopf. Wenn er geigt, sieht man die wuchtigen Silberringe an seinen Fingern, die Tattoos auf seinem Arm. Das ist alles männlich, markig, Geigen als Muskelspiel.