Victoria hilft der Borussia
Der Verein „Sonne, Mond und Sterne“ hat einer neun Jahre alten MS-Patientin einen Herzenswunsch erfüllt: Den Besuch eines Fußballspiels.
Mönchengladbach. Nach 93 Minuten eher langweiliger Fußballkost ist Victoria Shelley dennoch vollauf zufrieden: „Es war schön“. Die Neunjährige aus Traar ist gerade von ihrem Vater auf den Behinderten-Parkplatz des Mönchengladbacher Stadions geschoben worden. Der gastgebenden Borussia hat Victoria an diesem Frühsommerabend Glück gebracht: 1:0 und drei Punkte für den Klassenerhalt.
Victoria hat Multiple Sklerose und kann nur kurze Zeit ohne Hilfe gehen. Sie ist die Tochter eines Briten und einer Deutschen, die sich bei einem japanischen Autohersteller kennengelernt haben. Die wirtschaftliche Situation der Familie ist inzwischen nicht mehr rosig — ein Bundesligaspiel ist nicht drin. Im privaten WM-Garagen-Studio von Christian Ramrath (Kurzzeitpflege Anna-Deckers-Haus) in Verberg hatte sich Victoria im vergangenen Sommer sehnlichst den Besuch eines großen Stadions gewünscht.
Ein Fall für Meta Metz, der Vorsitzenden des Vereins Sonne, Mond und Sterne, der sterbenskranken Erwachsenen und kranken Kindern Herzenswünsche erfüllt. Anfang Dezember 2010 kaufte Meta Metz bei der Borussia acht Karten für Victoria und ihre Begleiter.
Die Vorsitzende hat Erfahrungen mit sportlichen Großveranstaltungen: Sie war mit einem Patienten bei einem HSV-Heimspiel, mit einem anderen im Dortmunder Stadion oder auch bei einem Formel- 1-Rennen auf dem Nürburgring. Überall gab es VIP-Behandlung, einen Stuhl für die jeweilige Begleitperson, sogar ein Pläuschchen mit Spielern oder eine Ehrenrunde im Security-Car mit Felipe Massa. Nichts dergleichen im Mönchengladbacher Borussia-Park.
Der Kleinbus mit dem Behindertenausweis im Fenster wird von einem sturen Ordner zurück auf die Autobahn geschickt, weil die leere Straße zu der ein paar hundert Meter entfernten Südseite gesperrt ist. Am Eingang sehen Ordner zwar den Rollstuhl, schicken Kind und Begleiter aber nicht zum Behinderteneingang. Die aus dem Mannschaftsbus aussteigenden VfL-Spieler dürfen sich nicht mit Victoria fotografieren lassen.
Seit 17 Jahren ist ihr Vater John Shelley Dialyse-Patient. Der 63-Jährige, der in England sofort Rente bekommen würde, in Deutschland erst mit 65, wartet auf eine Spenderniere. Zweieinhalb Stunden lang steht er hinter dem Rollstuhl seiner Tochter. „Ich habe dem Fan-Beauftragten frühzeitig gesagt, dass der Vater krank ist und sitzen sollte“, ärgert sich Metz. Ein Klub-Vertreter ist nirgends in Sicht: „Keine Wertschätzung von Behinderten.“ Und Jürgen Hesse, Schriftführer von Sonne, Mond und Sterne, vergleicht den Rollstuhl-Bereich mit „Schießscharten“. Komplimente hören sich anders an.