Waren Schüsse in Rheydt ein Racheakt unter Rockern?
Ein Geschäft mit Fitness-Produkten wurde in der Nacht zu Freitag beschossen.
Auf der Hauptstraße rekapitulierten die Anwohner gestern noch einmal die aufsehenerregende Nacht: die Schüsse, das riesige Polizeiaufgebot, Beamte mit Maschinengewehren am Körper, der Hubschrauber, der stundenlang über Rheydt flog, die Straßensperre.
Ein Vermummter hat in der Nacht zum Freitag gegen 23.20 Uhr mit einer scharfen Waffe mehrere Schüsse auf ein Geschäft mit Nahrungsmittel-Ergänzungsprodukten für Kraftsportler abgefeuert. Zeugen sahen die Person, die in einem dunklen Kleinwagen saß. Fünfmal wurde das Schaufenster getroffen. Im Mauerwerk steckte gestern Morgen noch eine Patronenhülse. Ein Schuss traf auch den benachbarten Münzen- und Briefmarkenladen. Einen Kommentar dazu abgeben, will der Ladenbetreiber nicht. Schweigend sieht er zu, wie ein Beamter des Landeskriminalamtes und Mönchengladbacher Polizisten den Tatort kriminaltechnisch untersuchen. Dafür wird die Hauptstraße noch einmal für eine Dreiviertelstunde gesperrt.
Das Geschäft mit Fitness-Produkten gibt es erst seit Mitte Juni an der Hauptstraße. Zur Eröffnung kam ein Bodybuilding-Weltmeister. Ein Anhänger der Hells Angels soll den Laden führen. Verletzt wurde er nicht. Sein Geschäft hatte um diese Uhrzeit längst geschlossen.
Der Polizei liegen derzeit keine Anhaltspunkte vor, vor welchem Hintergrund die Schüsse abgegeben wurden. Ein Racheakt unter Rockern kann aber wohl nicht ausgeschlossen sein — sieht man sich die Ereignisse der vergangenen drei Wochen an. Zuerst wird ein Mitglied des Rockerclubs MC Gremium Heinsberg in einer Gaststätte an der Hofstraße verprügelt, wobei die Angreifer ihm auch die Kutte stehlen. Dann gibt es eine Explosion am Vereinsheim der Mönchengladbacher Outlaws, und jetzt die Schüsse auf das Rheydter Geschäft.
Als Folge der ersten Tat gab es eine Razzia bei den Hells Angels in Odenkirchen, und nach der Explosion wurden mit SEK-Unterstützung zwei Wohnungen von Rockern in Langenfeld und Jülich durchsucht. Bis jetzt vermeldete die Polizei aber nur eine vorläufige Festnahme. In beiden Fällen wird noch ermittelt. Auch im jüngsten Fall fehlt noch jede Spur zum Täter — trotz Hubschrauber und Spürhundeeinsatz.
Noch während die Fahndung lief, wurden Freitagnacht weitere Schüsse aus Rheydt gemeldet. Anwohner des Schmölderparks hatten sie gemeldet. Zurzeit glaubt die Polizei jedoch nicht an einen Tatzusammenhang. Während an der Hauptstraße mit einer scharfen Waffe geschossen wurde, wurden im Schmölderpark lediglich Patronenhülsen gefunden, die von einer Gas- bzw. Schreckschusswaffe stammen.
Trotz der Vorfälle in den vergangenen drei Wochen will die Polizei noch immer nicht von einem neuen Rockerkrieg sprechen. Seitdem der Chef der Mönchengladbacher Hells Angels zusammen mit einem Rockerkollegen in ein Haus in Odenkirchen zog, habe man ein verstärktes Augenmerk auf die Szene, sagte Polizeisprecher Jürgen Lützen gestern. Sachdienliche Hinweise zu den Vorfällen nimmt die Kriminalpolizei unter Telefon 02161/290 entgegen.
Gestern Abend postierte sich die Polizei mit starken Kräften an der Fliethstraße am Vereinsheim der Outlaws. Die Rockergruppe hatte zu einem „Openhouse-Day“ eingeladen. „Nach den vergangenen Vorfällen wollen wir wechselseitige Straftaten in der Rockerszene verhindern“, erklärte Lützen. Auch Machtdemonstrationen in der Szene würden nicht gewünscht.