Weitere Justizpannen entdeckt
Eine Mitarbeiterin soll Akten der Staatsanwaltschaft unbearbeitet liegen gelassen haben.
Mönchengladbach. Nach den jüngsten Justizpannen ist die Geschäftsstelle der Mönchengladbacher Staatsanwaltschaft überprüft worden und es sind sechs weitere Fälle aufgedeckt worden, bei denen geschlampt wurde. Donnerstag traten Generalstaatsanwalt Gregor Steinfurth und der kommissarische Leiter der Gladbacher Behörde, Emil Brachthäuser, zusammen vor die Presse. Eine Mitarbeiterin der Geschäftsstelle soll Akten einfach liegen gelassen haben. Einige Unterlagen sind schlicht verschwunden. Einer Urlaubsvertretung fiel das auf.
An sich sei die Gladbacher Staatsanwaltschaft allerdings eine gut funktionierende Behörde, sagt Brachthäuser, der die Staatsanwaltschaft in Gladbach seit elf Tagen und für drei Monate leitet. Der Ministerialrat am Düsseldorfer Justizministerium führt sonst die Fachaufsicht über die Staatsanwaltschaften.
Der bisherige Leiter Heinrich Franzen, der als bekennender Christdemokrat gern beim CDU-Karneval als Balderich auftrat, war von Justiz-Ministerin Roswitha Müller Piepenkötter ins Ministerium strafversetzt worden. Auslöser war ein Sexualstraftäter aus Süchteln, der aus der Untersuchungshaft entlassen werden musste, weil gegen ihn nicht rechtzeitig Anklage erhoben wurde.
Drei der neu aufgedeckten Pannen betreffen Sexualstraftaten, bei denen die Opfer Kinder waren. Besonders schwerwiegend: Im November 2005 wurde ein Mann wegen sexuellen Missbrauchs an Kindern seiner Lebensgefährtin in mindestens 15 Fällen zu drei Jahren Haft verurteilt. Er legte Revision ein, aber die Akte kam nie beim Bundesgerichtshof an. Im Jahr 2006 vergriff er sich als Fußball-Trainer an zwei Mädchen seiner Mannschaft. Auch gegen dieses Urteil - ein Jahr und zwei Monate Haft - von 2007 legte er Berufung ein. Auch diese Akte verschwand.
Die Urteile wurden bislang nicht rechtskräftig, seine Haft hat der Mann bis heute nicht angetreten. Brachthäuser versichert aber, dass die weiteren Straftaten auch bei schneller Bearbeitung nicht hätten verhindert werden können.
Die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach hat in jedem Jahr rund 35 000 Neuzugänge zu bearbeiten. Dazu kommen 10 000 Vollstreckungen und 250 Fälle, in denen es um Untersuchunghaft geht. Jeder Mitarbeiter bearbeitet rund 3000 Neuzugänge im Jahr. Sieben außer Kontrolle geratene Akten erscheinen Brachthäuser vor diesem Hintergrund als nicht schwerwiegend. "Jeder ist aber einer zuviel", sagt er. "Wir stellen uns der Verantwortung und verfolgen die Sachen ohne Ansehen der Person."
Die verantwortliche Mitarbeiterin soll auch Signale der Software ignoriert haben, die 2002 installiert wurde, um vor Fristversäumnissen zu warnen. Die Mitarbeiterin wurde in eine andere Abteilung versetzt und arbeitet nur noch unter Aufsicht. Die Zusatzsoftware, die ablaufende Fristen an die Staatsanwälte meldet, wurde in Mönchengladbach 2005 installiert, aber nie benutzt. "Ab sofort findet diese Kontrolle statt", versichert Brachthäuser.