Wenn sie dich umnieten, tut es weh

Kurz vor dem Superbowl stellt sich die Frage: Wie hart ist Football wirklich? Ein Selbstversuch.

Wenn neun Spielerinnen nur das Ziel verfolgen dich umzunieten, weil du den Ball hast, ist das ein unangenehmes Gefühl. Die Finger krallen sich in das Leder, der Ellbogen presst den Football an den Körper. Er darf nicht verloren gehen, egal was passiert. „Renn!“, schreit Frank Wenke durch die Halle. Und da ist sie: die Lücke auf Rechtsaußen. Der freie linke Arm schwingt mit, gibt im Sprint zusätzlichen Antrieb. Die giftgrüne Trikotfarbe im Augenwinkel signalisiert dem Kopf, dass der Feind gefährlich nah ist. Die Lücke wird kleiner, zwei Hände drücken von links gegen die Brust, das Gleichgewicht verabschiedet sich.

Die Footballerinnen vom MG Wolfpack packen auch im Training richtig zu. Die Vorbereitung nähert sich der entscheidende Phase, Anfang April starten die 18 Spielerinnen in der Regionalliga NRW in die Saison. Erst 2016 gründete sich im Verein die Damenmannschaft um Trainergespann Frank Wenke und Peter Mayer. Als jüngstes Team in der 2. Bundesliga nahmen die „Wölfinnen“ 2017 zum ersten mal am Ligabetrieb teil. Alter und fehlende Spielpraxis machten sich jedoch bemerkbar: Die MG Wolfspack beendete die Saison auf dem letzten Tabellenplatz und stieg ab.

Die Schutzpolster für den Oberkörper, sogenannte „Shoulder Pads“, lassen die Schultern absinken wie die Röntgen-Schürze beim Zahnarzt. Zwei Spielerinnen als Hilfe sind nötig, um das Trikot anzuziehen. Sie zupfen am Stoff, bis er nach zwei Minuten endlich am Körper sitzt.

Der Helm inklusive Gesichtsgitter schützt den Kopf und das Gesicht. Sein Gewicht macht sich nach Trainingsbeginn zeitnah bemerkbar. Nach den ersten Sprints kleben die nassen Haare zwischen Kunststoff und Kopfhaut. Die schwarze Farbe auf den Wangen vermischt sich mit Schweiß. Es juckt auf der Haut.

„Wir sind hier nicht bei Let’s Dance“, schreit Wenke. Mit schnellen Tippel-Schritten geht es über die Stangen am Boden. Für alle Spielerinnen, die potenziell die Position des „Quarterbacks“ und des „Wide Receivers“, also die des Passgebers und -empfängers besetzen können, gibt es eine Besonderheit: Auch während der Lauf- und Krafteinheiten müssen sie einen Football in der Hand halten — und jederzeit gegen Angriffe abwehren. „Umgreif ihn oben mit drei Fingern und klemm das untere Ende zwischen Ellbogen und Taille“, sagt Quarterback Janina Hendricks und umklammert ihren Ball. „Sonst schnipst dir Frank den von hinten weg und es gibt Straf-Liegestütze.“

Dass die intensive, sehr körperbetonte Sportart nicht nur bei Männern, sondern auch bei Frauen in Deutschland immer beliebter wird, belegen die Zahlen der Landesverbände. Für die kommende Saison haben sich beim Landesverband NRW insgesamt 17 Mannschaften mit rund 600 Spielerinnen für die ersten beiden Bundesligen sowie für die Regionalliga angemeldet. Zum Vergleich: Im Jahr 2012 meldeten sich in NRW nur acht Mannschaften.

Trainer Frank Wenke motiviert seine Spielerinnen gerne laut

Quarterback Hendricks hält beide Hände vor ihr Gesicht und verbindet Daumen und Zeigefinger zu einem Dreieck. „Diamonds are a girl’s best friend“, sagt die 25-Jährige. „So fängst du denn Ball.“ Mit dem Zeigefinger gibt sie die Laufrichtung vor. Dann tritt sie einen Schritt nach hinten, geht in die Hocke und ruft: „Set — Hut.“ Der Football fliegt in hohem Bogen durch die Halle.

Schnell laufen, Blick in die Luft, Hände zum Dreieck formen und das Wichtigste: bloß nicht hinfallen. Die Finger umschlingen den Football, der mit so viel Wucht auf die Brust schlägt, als wolle er die Schutzpolster durchbohren. Aber er prallt nicht ab, sondern bleibt in den Händen. Die Wölfinnen jubeln und klatschen. Das machen sie ständig. Jede Spielerin wird angefeuert, auch wenn etwas misslingt.

Im Football bestimmt der Körperbau die Position. „Wir können jeden gebrauchen“, sagt Trainer Frank Wenke. „Wendige und schnelle Spielerinnen eignen sich als Receiver, Frauen mit kräftigerem Körperbau können sehr gut auf einer blockenden Position agieren.“ Die jüngste Spielerin bei den Wölfinnen ist 14, die älteste 38. Wenke wünscht sich, dass mehr Frauen, die ihrer Figur wegen dem Mannschaftssport fern bleiben, beim Training vorbeischauen würden. „Wenn jemand nur eine Runde um den Platz schafft, schafft er in der Woche drauf schon zwei.“

Zwei Hände drücken von links gegen den Brustkorb. Dabei sah die Lücke groß genug aus. Ein letzter Schritt nach vorne, dann verabschiedet sich das Gleichgewicht. Wenn dich eine Spielerin umnietet, ist das nicht unangenehm. Nein, es tut weh. Aber wenn du es geschafft hast, den Ball festzuhalten, erträgst du die Schmerzen mit Stolz.