Jubiläum an der Kaiserstraße Als der Pianist Claudio Arrau kam

Düsseldorf · Seit 50 Jahren gibt es an der Kaiserstraße den Musikalienhandel Fratz. Leben können die Inhaber vom Geschäft nicht mehr.

Jubiläumsfreude bei „Musik Fratz“ (v. l.): Birgitta Heusch, Ralph Lehmkühler und Martin Fratz.

Foto: Anne Orthen (orth)

„Musik Fratz“ steht schlicht und ergreifend auf einem mittelgroßen Ladenschild über dem Schaufenster an der Kaiserstraße 21 in Düsseldorf – in Laufweite der Tonhalle. Zwischen Musikalienhandlung und Konzertsaal befindet sich lediglich ein Stück des Hofgartens. Ein paar ältere Blockflöten und Notenhefte bilden die Auslagen im Fenster. Und wer die Ladentüre öffnet, verursacht ein akustisches Geklingel wie aus längst vergangenen Einzelhandelstagen.

Seit 50 Jahren gibt es nun unter dem Namen Fratz ein Geschäft mit einem sehr großen Sortiment an Musiknoten sowie musikalischem Lehrmaterial für Groß und Klein. Doch ist die Notenheft-Tradition an der Kaiserstraße noch älter: Fierlings hieß der Vorgängerbetrieb, der sich noch auf der gegenüberliegen Straßenseite befand. Und mit der Übergabe an Fratz im Jahr 1973 beginnt die Geschichte eines Geschäfts, dessen Modell mittlerweile Seltenheitswert genießt.

Die heutigen Inhaber-Geschwister Birgitta Heusch, geborene Fratz, und Martin Fratz, seines Zeichens auch Dirigent, Chorleiter und Musikdozent, erinnern sich noch an die Anfänge aus Kindertagen. Irgendwann sei Familienvater Walter Fratz, damals Kantor an Sankt Martin in Düsseldorf-Bilk, nach Hause gekommen und habe gesagt: „Frau Fierlings hat mich gefragt, ob ich ihren Laden übernehmen möchte.“ Die verwitwete Dame um die 70 wolle sich zur Ruhe setzen. „Ich glaube, ich mach’ das“, habe Walter Fratz gesagt, berichtet Sohn Martin.

Nach zehn Jahren folgte der Umzug auf die Hofgarten-Seite

Zehn Jahre später erfolgte der Umzug auf die Hofgarten-Straßenseite. Und seitdem gibt es den Einkaufsraum mit schlichten braunen Holzregalen, in denen die papierne Welt der Musik aller Epochen auf Kundschaft wartet. „Hier hat sich ja nichts verändert“, rufen Kunden, die länger nicht mehr bei Fratz waren. „Die sagen das aber mit Begeisterung“, sagt Birgitta Heusch. Doch leider könnte das Kleinod in absehbarer Zeit doch der Vergangenheit angehören. „Das wird wohl unser letztes Jubiläum sein“, sagt Fratz: „Wir machen das hier nur noch aus Nostalgie, leben können wir davon nicht.“ Als 2016 Mutter Ursula Fratz 83-jährig verstarb, habe man den Laden, der das Leben der alten Frau Fratz war, nicht schließen wollen. Ein, zwei Jahre sollte es weitergehen. Daraus sind nun schon sieben geworden.

Prominente Besucher hatte und hat der Laden häufig. Der legendäre chilenische Pianist Claudio Arrau (1903–1991) soll gerne gekommen sein. Er würde dort am liebsten den halben Tag verbringen, habe er damals der stolzen Frau Fratz gesagt, die es gern weitererzählte. Aber auch lebende Stars der klassischen Musik seien gelegentlich im Geschäft: der Bariton Thomas Hampson, die Bratschistin Tabea Zimmermann, Pianist Ivo Pogorelich oder Sopranistin Edda Moser.

Die Musikalienhandlung ist recht stark auf Noten spezialisiert, Instrumente verkauft Fratz nicht. Überleben könne man mithilfe von Großabnehmern wie der Tonhalle. Für die ziemlich anspruchsvolle Aufgabe, für das gesamte Orchester die Musikwerke in der gewünschten Ausgabe und Fassung zu finden, ist der einzige Angestellte des Unternehmens, Ralph Lehmkühler, zuständig. „Das ist unser Spürhund“, sagt Fratz lächelnd und weist auf seinen Mitarbeiter, der nickt.

Leider würden die Verlage Noten oft nur noch verleihen und nicht verkaufen, bedauert Fratz. Der Verleihservice habe allerdings nur eine schmale Marge. Die Musikverlage sichern sich unter anderem mit dieser Strategie ihre Existenz, weil für sie der Verleih lukrativer ist als der Verkauf. Beim Handel ist es umgekehrt. Auch der für die Verlage günstigere Online-Verkauf geht am Einzelhandel vorbei. Und so zieht dieser im Überlebenskampf der gesamten Branche den Kürzeren.

Deswegen gibt es kaum noch solche Notengeschäfte wie Fratz. „Ein amerikanischer Kunde hat uns gesagt, in ganz New York existiere nur ein einziger Laden wie dieser“, sagt Fratz. Wie lange man den Nostalgie-Gefühlen nachgeben werde, wisse man nicht so genau. Allerspätestens wenn man draufzahle, sei endgültig Schluss. Möge dies nicht so bald geschehen!