Nachruf auf den Düsseldorfer Galeristen Er war Zeremonienmeister und Strippenzieher

Düsseldorf · Hans Mayer war ein weltberühmter Düsseldorfer Galerist. Mit 82 Jahren ist der Zeremonienmeister und Strippenzieher gestorben.

Der Düsseldorfer Galerist Hans Mayer im Jahr 2011.

Foto: Endermann, Andreas (end)

„Hans im Glück“ hat man ihn genannt, und der von Götz Adriani verliehene Titel wird denen, die nun um ihn trauern, guttun. Die ins Galeriegeschehen eingebundene Mayer-Familie, Max, Marie und Ehefrau Stephanie, war zugegen, als ihrem Oberhaupt vor sieben Jahren der Art-Cologne-Preis verliehen wurde und in der Laudatio die unerwartete Zuschreibung fiel.

In Anerkennung seiner vielen Verdienste als Mitbegründer des Kölner Kunstmarktes sowie als unermüdlicher Motor und genialer Globalisierer auf dem zeitgenössischen Kunstmarkt repräsentiert Hans Mayer ein halbes Jahrhundert Galeristengeschichte. Im Alter von 82 Jahren ist der gebürtige Ulmer, dem die Welt nicht selten zu klein war für seinen auf alle Kultur gerichteten Expansionsdrang, am Silvestertag nach langer Krankheit eingeschlafen.

Mayer gilt als eine Ausnahmeerscheinung unter den weltweit führenden Galeristen. Er prahlte nicht mit Umsätzen, betrieb kein Namedropping. Die Erfolgssprünge seiner Karriere, so sagte er es einmal, seien vor allem vom Glück getrieben gewesen. Glückliche Begegnungen, ein glückliches Händchen beim Verkauf, Enthusiasmus, Umtriebigkeit und Leidenschaft.

Sein Ehrgeiz war offenbar nicht stärker als seine Genusssucht. Kunst und Kultur gaben dem gelernten Industriekaufmann mehr als alles andere, so handelte er weitgehend kunstvernarrt und aus dem Bauch heraus.

Hans Mayer brachte
Glamour in die Kunst

Als persönliches Erweckungserlebnis benannte er eine Regung angesichts seines „Schlüsselbildes“ von August Macke. Er war noch Schüler, als 1953 im Ulmer Museum das Aquarell „Mit gelber Jacke“ angeschafft worden war und er mit seiner Klasse dorthin einen Ausflug unternahm. Zum unfassbaren Preis eines Einfamilienhauses hatte man es erworben, vielleicht auch, um den Künstler zu rehabilitieren, den die Nationalsozialisten als entartet verfemt und vertrieben hatten. Dieses Bild habe ihm eine neue Welt eröffnet, berichtete Hans Mayer später, es habe seine hohe Affinität und große Liebe zu Bildern wachgeküsst.

Der auf keiner internationalen Messe fehlende Galerist bewegte sich auf weitgefassten Wegen, die Schmalspur war ihm verhasst. Er hörte mehr zu, als dass er auf Menschen einredete. Vielleicht war auch dies eines seiner Erfolgsgeheimnisse, denn er hörte sehr genau zu. Man wäre gerne dabei gewesen, als er sich 1969 im Januar mit Jimi Hendrix am Tag nach dessen Konzert in der Düsseldorfer Eat-Art-Kneipe von Daniel Spoerri zusammensetzte. Oder als Hans Mayer Joseph Beuys im selben Jahr fast anbetteln musste, doch bitte zur Vernissage seiner ersten Andy-Warhol-Ausstellung in Deutschland zu kommen und Warhol zu treffen. Dieses Gipfeltreffen zweier Superstars der Kunst geschah in einer Zeit, als man sich über Mayers Präsentation des Pop-Art-Künstlers aus den USA in Düsseldorf noch verständnislos amüsierte.

Wie kein anderer war Mayer ein kreativer Zeremonienmeister von Vernissagen. Er brachte Glamour in die Kunst und wichtige Menschen der Szene zusammen, war Strippenzieher und maßgeblicher Akteur beim Aufbau der Kunst-Schickeria von Deutschland und nicht zuletzt in Düsseldorf.

Es ist sein Mitverdienst, dass aus Nordrhein-Westfalen ein Kunst-Wunderland wurde; dabei lag ihm Düsseldorf immer am Herzen, seit er sich dort 1969 endgültig festgesetzt hatte – zunächst in Kooperation mit der einflussreichen Galeristin Denise René.

Mit der Band Kraftwerk verband Mayer eine Partnerschaft

Rockbands wie The Who und ein Pionier der Minimal Music, Steve Reich, traten bei seinen Eröffnungen auf. Zur ersten Vernissage, 1965 in Esslingen, kam der einflussreiche Komponist John Cage und gab das Eröffnungskonzert. Mit der Elektro-Band Kraftwerk verband Mayer eine langjährige Partnerschaft. Aus Dankbarkeit gab es 2011 Kraftwerk zur Vernissage von Mayers vorletzter, sehr eleganter Galerie am Grabbeplatz mit 6,50 Meter hohen Ausstellungswänden. Auch Lieblinge der Literatur- und Theaterszene lud er zum Event, kluge Köpfe, tolle Tänzer, Poeten, Feuilletonisten.

Sein Weg führte ihn vom schwäbischen Esslingen über Krefeld nach Düsseldorf – mit weniger erfolgreichen Abstechern nach New York und Berlin. „Ich komme aus dem Konstruktivismus“, so seine oft wiederholte Behauptung, „das ist meine Welt.“ Sein Verdienst war die Entdeckung der zeitgenössischen US-Kunst für den deutschen Markt, die pionierhafte Förderung von Foto, Video- und Performancekunst, die Vernetzung von bildender Kunst mit allen anderen Künsten. Internationale zeitgenössische Kunst, alles, was Rang und Namen hatte, die Helden der Pop Art, wurde bei Mayer früher als anderswo gehandelt.

Man kann die Liste der berühmten Künstler fast beliebig erweitern, mit Josef Albers in Esslingen beginnend, über Rauschenberg, Kelly, Lichtenstein, Rothko, Twombly, Warhol zu den Zero-Künstlern und Zeitgenossen wie Beuys, Graubner, Knoebel, Cragg, Erben, Kippenberger, Paik und Polke. Der Fotokunst hat er ein eigenes Podium geboten mit Klauke, Lagerfeld, Lindbergh, Newton und Katharina Sieverding.

Ein Spruch von ihm erklärt vielleicht auch einen nicht unmaßgeblichen Teil seines Erfolgskonzeptes: „Kunst wird verkauft, wo das Geld verdient wird.“ So hatte er sich in Düsseldorf zuletzt gut eingerichtet. Vor zwei Jahren erst mit seinem Sohn Max das Schmela-Haus hinter der Kunsthalle bezogen, wo beide ihre unterschiedlich ausgerichteten Galerien auf getrennten Stockwerken führten.

Ein einziger Raum – das war die Galerie Hans Mayer am Ende. Darin gefangen nur das Beste vom Besten. Eine Art Vermächtnis.