Was muss ein Polizist können? Nachwuchssorge - Bundespolizei ändert Auswahltest

Düsseldorf · Beim Diktat werden mehr Fehler erlaubt, keine Liegestütze mehr – im Gerangel um den Nachwuchs muss auch die Polizei sich reinhängen. Die NRW-Landespolizei will das jedoch nicht nachmachen.

Müssen Bundespolizisten „Chrysantheme“ buchstabieren können? Nein, sagt das Präsidium.

Foto: dpa/Uli Deck

Im Gerangel um den Nachwuchs im demografisch gewandelten Deutschland muss auch die Polizei sich reinhängen – zumal seit politisch immerzu nach einem Mehr an Sicherheitskräften gerufen wird. Die Bundespolizei hat sich deshalb ihr Auswahlverfahren kritisch angeschaut und gefragt, ob wirklich jeder Beamte der Zukunft das Wort „Chrysantheme“ fehlerfrei buchstabieren können muss. Die Antwort lautete: Nein.

 2150 Planstellen bekommt die Bundespolizei in Deutschland im laufenden Jahr hinzu. Gleichzeitig, so teilte das Präsidium in Potsdam am Montag mit, sollen 853 Beamte in den Ruhestand gehen. Es werden also ziemlich genau 3000 neue Polizisten benötigt. Und Polizistinnen. Auf sie zielt die Umstrukturierung des Auswahlverfahrens wohl speziell. Denn neben einer leicht erhöhten Fehlertoleranz im Diktat und dem Herausstreichen einiger Begriffe – wie eben Chrysantheme – wurden zwei Elemente des Sporttests ersetzt, die vor allem weiblichen Bewerbern schwerfallen könnten: Standweitsprung und Liegestütze. Stattdessen gibt es ab sofort einen Pendellauf, bei dem Schnelligkeit und Wendigkeit unter Beweis gestellt werden müssen.

„Ziel ist es, einen möglichst großen, aber auch geeigneten Bewerberkreis anzusprechen“, so das Bundespolizeipräsidium. Deshalb wurde auch die generelle körperliche Mindest- und Maximalgröße für die Einstellung abgeschafft. Allerdings wehrt man sich in Potsdam gegen den Eindruck, die Anforderungen seien niedriger als zuvor. Sie seien nur anders. Es gebe derzeit keine unbesetzten Stellen, im vergangenen Jahr habe man auf ebenfalls rund 3000 zu besetzende Stellen einen Bewerberansturm von etwa 35.000 verzeichnet. Von Verzweiflung, so Botschaft, kann keine Rede sein. Zumal sich zum Stichtag am 1. Januar 7420 Anwärterinnen und Anwärter bei der Bundespolizei in Ausbildung befunden hätten.

Bei der Landespolizei ist das Problem die Abbrecherquote

Einen ständig steigenden Bedarf an neuen Kommissaren hat man in Nordrhein-Westfalen auch bei der Landespolizei. Auf die Frage, ob es da ähnliche Überlegungen gebe, die Zugangsvoraussetzungen anzupassen, heißt es aus dem Landesinnenministerium, das sei „absolut nicht der Fall“. Und die Anforderungen sind durchaus umfassend: Bewerber für die Studienplätze müssen das Deutsche Sportabzeichen sowie das Deutsche Rettungsschwimmabzeichen mitbringen, es gibt eine Mindestgröße von 1,63 Metern, ein Minimum und Maximum beim Body-Mass-Index. Auch Tätowierungen und Piercings können ein Ausschlusskriterium sein. Dennoch heißt es im Ministerium, man habe keine Schwierigkeiten, geeignete Bewerber zu finden: Im vergangenen Jahr habe es für 2500 Studienplätze 10.083 Bewerbungen gegeben.

Eine offene Flanke hat allerdings auch das Innenministerium bei der Nachwuchsarbeit, wie Herbert Reul (CDU) als Chef des Hauses jüngst im Fachausschuss des Landtages berichten musste: und zwar darin, die Kommissaranwärter auch erfolgreich durch das Studium zu bringen. Die Quote von Abbrechern und Durchfallern lag beim Einstellungsjahrgang 2016, der im vergangenen Jahr fertig wurde, bei 17 Prozent. Im Jahrgang, der kommenden September seinen Abschluss erlangen soll, sind es jetzt schon 15,2 Prozent, im Jahrgang darauf, der gerade einmal sein zweites Studienjahr erreicht hat, zehn Prozent.

Die allermeisten Durchfaller, berichtete Reul, „resultieren aus nicht bestandenen Prüfungen in fachtheoretischen Modulen“. Im Einstellungsjahrgang 2018 waren es sogar 232 von 232 Anwärtern. In anderen Jahren gebe es noch einen kleineren Anteil, der praktische Prüfungen nicht bestehe oder aufgrund etwa von gesundheitlichen Eignungsmängeln entlassen werden müsse.

Maßnahmen wurden ob der steigenden Abbrecherquote schon ergriffen. So wurde neben der psychosozialen noch eine Studienberatung eingerichtet. Jetzt gibt es zudem verpflichtende Repetitorien für Studierende, die durch eine Prüfung geflogen sind, um sie auf den zweiten Versuch gezielt vorzubereiten. Nachhilfestunden für angehende Polizisten also. Weitere mögliche Maßnahmen für einen höheren Studienerfolg, so Reul, identifiziere die Landesregierung derzeit.