Wechsel in Nettetal Reichmann geht in den Ruhestand
Kreis Viersen · Der Kempener Ansgar Reichmann leitete 22 Jahre lang die Biologische Station. Im Sommer geht er in den Ruhestand.
Ansgar Reichmanns Vater machte sich Gedanken, angesichts der Interessen seines Sprösslings. „Für Käferzählen wird dich keiner bezahlen“, warnte Reichmann Senior, als der Sohn einst Biologe als Berufsziel anstrebte. Vergeblich. Der Sohn studierte Biologie, wurde mit einer Arbeit über Monogamie bei Vögeln promoviert – und ist trotzdem kein arbeits- und mittelloser Akademiker geworden. Was im Kreis Viersen sehr vielen Menschen bekannt ist, schließlich hat Reichmann in den vergangenen Jahren die Biologische Station Krickenbecker Seen geleitet. Mit einem Infozentrum mitten im Naherholungsgebiet, mit einer Vielzahl von Veranstaltungen für naturinteressierte Menschen und einer Reihe von Projekten zum Schutz von Tier- und Pflanzenwelt hat sich das heute 20-köpfige Team der Station einen Namen gemacht. Ab 1. Juni wird sie die Arbeit unter einer neuen Leitung fortsetzen. Denn Ansgar Reichmann geht dann in den Ruhestand. Ein Rentner, der seine Tage auf dem Sofa verbringt, will Reichmann freilich nicht werden. „Ich werde dann weiter hinaus in die Natur gehen, allerdings dann ohne den Gedanken an den nächsten Jahresbericht und ohne Zeitdruck“, sagt Reichmann. Es dürfte also wieder so werden wie in jenen Tagen, in denen Reichmann als Jugendlicher fasziniert davon war, die Gänse und andere Vögel am Niederrhein zu beobachten. Aufgewachsen ist er in Haldern bei Rees, seit 2004 lebt er in Kempen.
Reichmanns Steckenpferd
ist die Vogelkunde
Die Passion war so groß, dass Biologie als Studienfach den Bedenken des Vaters zum Trotz gesetzt war. „Ich wollte nie etwas anderes machen“, sagt Reichmann heute. Und er hat es auch geschafft, als Leiter einer Biologischen Station in Paderborn und ab 2002 dann der Station an den Krickenbecker Seen in einer Sparte seiner Profession arbeiten zu können, die ihm erlaubte, weiter viel in der freien Natur unterwegs zu sein – und nicht ein Berufsleben im klinisch reinen Ambiente eines Labors zu verbringen.
Reichmanns Steckenpferd ist die Vogelkunde. So wundert es auch nicht, dass ein ihm sehr am Herzen liegendes Projekt den Namen eines Vogels trägt: Rohrdommelprojekt. Unter diesem Titel ist das Gelände am Ufer der Nette bei Leuth bekannt geworden, bei Spaziergängern, Wanderern und bei Tierfotografen, die dort regelmäßig auf der Lauer liegen. „Auch wenn das Projekt so heißt – es ging dabei nicht nur um die Rohrdommel“, sagt Reichmann.
Diese Vogelart wieder zu Gastaufenthalten nach Nettetal zurückzuholen ist gelungen, aber auch viele anderen Arten sind in dem Lebensraum anzutreffen, der unter Reichmanns Ägide geschaffen wurde. Ob es funktionieren würde, das Areal mit Röhricht „aufzuforsten“, war nicht gewiss, als losgelegt wurde. Doch es hat funktioniert – und es ist über die Jahre ein komplexes Biotop entstanden, das Reichmann „spannend und immer wieder anders“ nennt. In der Rückschau freut er sich auch, dass es gelungen ist, Biotope nicht einfach als isolierte Schutzgebiete zu schaffen, sondern sie vielfach auch miteinander zu verbinden, was den dort vorkommenden Arten bessere Entfaltungsmöglichkeiten liefert. Alles prima also in der heimischen Natur? Von Artensterben und Umweltverschmutzung keine Spur? Natürlich nicht. Der Schwund an Insekten sei besorgniserregend, sagt Reichmann, denn sie bildeten die Nahrungsgrundlage für andere Tiere, zum Beispiel Fledermäuse, deren Zahl ebenfalls geschwunden sei. Sorge bereitet ihm zudem, dass nicht heimische Arten wie Schnappschildkröten, Goldfische und der Rote amerikanische Sumpfkrebs in den Gewässern der Region vermehrt auftreten und das natürliche Gefüge aus dem Lot bringen. Schuld daran sind Menschen, die diese Tiere entweder aussetzen oder denen sie – im Fall der Krebse etwa – ausbüxen. „Der Handel mit manchen Arten ist leider viel zu spät verboten worden“, findet Reichmann. Der Biologe will aber nicht jammern, sondern auch das Positive sehen: „Ich hätte zum Beispiel nicht gedacht, dass wir einmal wieder Biber in der Region haben würden, oder Weißstörche oder Wanderfalken auf vielen Kirchtürmen. Das zeigt: Naturschutz ist nicht aussichtslos, man kämpft nicht auf verlorenem Posten.“