Wohin mit schuldunfähigen Kriminellen? NRW fehlen 750 Plätze für psychisch kranke Straftäter
Düsseldorf · Stadt Lünen siegt vor OVG gegen aktuelle Planung einer Forensik. Auch in Wuppertal gibt es Widerstand in der Bevölkerung.
Das Land NRW hat in seinem Kampf gegen den akuten Mangel an Therapieplätzen für psychisch kranke oder suchtkranke Straftäter einen herben Schlag einstecken müssen. Die Stadt Lünen hat im Steit um die Bauvorplanung einer forensischen Klinik am Dienstag vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster obsiegt. Auch in Wuppertal läuft ein Planverfahren seit vielen Jahren, an zwei weiteren Standorten kommt das Land gar nicht voran.
Dabei ist der Bedarf enorm. Die Landesregierung beschloss 2012 den Bau von fünf neuen Einrichtungen für den Maßregelvollzug mit insgesamt 750 Plätzen, nachdem die Zahl der therapiebedürftigen Straftäter im Jahrzehnt zuvor um zwei Drittel gestiegen war. Die Folge: Schwer gestörte Menschen werden in überfüllten Kliniken in Mehrbettzimmern untergebracht, marode Kliniken werden weiterbetrieben, Patienten werden in andere Bundesländer verlegt, die jetzt aber auch keine Kapazitäten mehr haben.
Versorgungslücken gibt es laut NRW-Gesundheitsministerium in den Landgerichtsbezirken Münster, Essen, Wuppertal, Bonn und Dortmund. Dort wurden 125 Kommunen um Hilfe bei der Standortsuche gebeten. In fünf von ihnen, daran lässt das Land in einer eigenen Internetpräsenz zum Maßregelvollzug keinen Zweifel, werde gebaut, „auch wenn die Städte und Gemeinden sich nicht in der Lage sehen, dabei behilflich zu sein“. Zum Schutz der Bürger in NRW sei das unumgänglich.
Land macht sanften Druck auf Standorte: „Die Zeit drängt“
Die Wahl für künftige Forensikstandorte fiel schließlich auf Haltern am See, Hörstel, Lünen, Reichshof und Wuppertal. Allein in Hörstel indes sei man „auf einem guten Weg“, sagt Uwe Dönisch-Seidel, Landesbeauftragter eigens für den Maßregelvollzug: 2020 könne dort der Bau starten. In Lünen fange die Planung nach dem OVG-Urteil „quasi von vorne an“. Dabei stellten die Richter klar, dass ihre Entscheidung sich nicht auf die Zulässigkeit der Klinik am geplanten Standort bezieht – Knackpunkt waren Lärmschutzfragen. Doch laut Dönisch-Seidel steht auch der Standort wieder infrage.
Der ist auch in Wuppertal die Crux: Das Land wollte die Forensik auf ihrem eigenen Gelände in Ronsdorf bauen – doch das war der Stadt zu viel, weil dort schon das Jugendgefängnis steht. Sie schlug stattdessen eine Fläche auf der Kleinen Höhe an der Stadtgrenze zu Velbert – bisher grüne Wiese und landwirtschaftliche Fläche – vor. Dagegen laufen Bürgerinitiativen, Bauern und Bezirkspolitiker seit Jahren Sturm. Derzeit liegen die Pläne aus, ab der kommenden Woche würden die Rückmeldungen und Widersprüche ausgewertet. Laut Stadtsprecherin Martina Eckermann „eine Riesenarbeit“ bei einer oft vierstelligen Zahl. Im ersten Quartal 2020 könnte der Rat dann aber Baurecht schaffen.
„Der Platzbedarf ist weiterhin hoch, deshalb drängt die Zeit“, sagt Dönisch-Seidel. Man setze auf Einvernehmen mit den betroffenen Städten – aber nicht ewig. Das Land macht überdeutlich: Bisher hat noch keine Stadt sich erfolgreich gerichtlich gegen eine neue Forensik gewehrt. Dennoch haben die langen Verfahren für das Land Folgen: Bei den Planungen für Reichshof und Haltern „passiert gerade nichts“, so der Beauftragte. „Wuppertal und Lünen beschäftigen uns voll und ganz.“