Aus dem Bindestrich-Land ist die multikulturelle Herzkammer der Bundesrepublik Deutschland geworden NRW kann alles – auch Hochdeutsch
Der Rhein, das westfälische Ross, die Lippische Rose – schon die Flagge verrät, dass Nordrhein-Westfalen nicht aus einem Guss besteht. Das sogenannte Bindestrich-Land ist eigentlich ein Kunstprodukt, es ist das Resultat der Neuordnung Deutschlands nach dem vollständigen Zusammenbruch des Reiches der Nationalsozialisten.
Die Lippische Rose, der Rhein, das Pferd – auf den ersten Blick haben die Symbole nichts gemein. Das dürfte auch für die Regionen gegolten haben, die 1946 von den Briten zum späteren Bundesland zusammengefügt wurden. Dass die Befreier Deutschlands von der Nazi-Diktatur mehr Praktisches im Schilde führten als vielleicht sinnvolles Zusammenfügen, was zusammengehört, liegt auf der Hand. Die britische Rheinarmee hatte andere Sorgen, als sich mit den Befindlichkeiten oder den Mentalitäten der preußischen Provinzen Westfalen und Nordrhein sowie den 16 Gemeinden im Kreis Lippe zu beschäftigen. Und den Deutschen dort ging es vermutlich wenige Monate nach Kriegsende nicht anders. Sie waren mit dem Wiederaufbau beschäftigt, damit, aus den Trümmern Neues, Besseres erwachsen zu lassen. Heute, 75 Jahre nach der Gründung Nordrhein-Westfalens, wird kaum jemand der Behauptung widersprechen, dass es gelungen ist. Nordrhein-Westfalen war und ist der industrielle Motor der Bundesrepublik Deutschland. In keinem anderen Bundesland haben so viele Weltkonzerne ihren Sitz. Nordrhein-Westfalen ist die Energiequelle Deutschland. Auch wenn Kohlekraftwerke und der Tagebau absehbar ausgedient haben, wird an Rhein und Ruhr Energie erzeugt, nachhaltig, umweltfreundlich, klimaschützend.
Und das beschreibt auch schon die Herausforderung, der vermutlich kein zweites Land der Bundesrepublik derart ausgesetzt ist wie NRW. Das Land mit seinen gut 18 Millionen Einwohnern ist zeit seines Bestehens dem permanenten Wandel unterworfen. Transformation steht gewissermaßen in der Landesverfassung. Und immer sind es die Nordrhein-Westfalen gewesen, die vor dem Nichts standen und Neues erfanden. Das war so, als die Textilindustrie das Bergische Land und den Niederrhein weitestgehend gen Asien verließ, es war so, als Stahlkochen in China so billig wurde, dass im Ruhrgebiet reihenweise Hochöfen ausgingen, und aus dem Geschäft mit der Kohle wird in Gegenwart und Zukunft das Geschäft mit regenerativen Energien. NRW ist nicht Baden-Württemberg. NRW kann alles – auch Hochdeutsch.
Nordrhein-Westfalen ist das Land der fröhlichen Rheinländer, der vermeintlich sturen Westfalen, es ist das Land, dem Migration quasi in die Wiege gelegt wurde, Nordrhein-Westfalen ist das Land, das gegen alle Widerstände, Schwierigkeiten, Niederlagen und Rückschläge aus Vielfalt Einheit gemacht hat.
Fast jeder fünfte Deutsche lebt an Rhein, Ruhr oder Wupper. Kein anderes Bundesland verfügt über die Wirtschaftskraft NRW. In keinem anderen Fußball-Land liegen Freude und Leid so nah beieinander wie in NRW, wo Dortmund jubelt, während keine 20 Kilometer entfernt Gelsenkirchen weint, wo Mönchengladbach stürmt, während 30 Kilometer weiter Köln ums Überleben strampelt.
Nordrhein-Westfalen ist Johannes Rau und Konrad Adenauer, Willy Millowitsch und Dieter Nuhr, Die Toten Hosen und Heino, Pina Bausch und Lindenstraße – NRW ist Widerspruch und Konsens, Vergangenheit und Zukunft. Nordrhein-Westfalen ist Heimat mit 75 Jahren Geschichte, mit 75 Jahren Fortschritt – allen Widerständen und Unkenrufen zum Trotz. 75 Jahre Nordrhein-Westfalen sind ein Grund zu feiern. Herzlichen Glückwunsch, NRW.