Karnevalswagenbauer Jacques Tilly ist einer von elf Menschen, denen NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst den Landesverdienstorden verlieh Ungewohnt: Orden statt Strafanzeige

DÜSSELDORF · . Wenn der Staat Orden verleiht, dann will er damit nicht nur die Geehrten aufs Podest heben. Sondern auch zum Nachmachen anstiften. So ähnlich drückte das am Freitag auch NRW-Präsident Hendrik Wüst aus.

Ministerpräsident Hendrik Wüst (links, CDU) überreicht den Landesverdienstorden an den Künstler Jacques Tilly. Der Düsseldorfer Karnevalswagenbauer gehört zu elf neuen Trägern des Landesverdienstordens Nordrhein-Westfalen.

Foto: dpa/Oliver Berg

Der CDU-Politiker verlieh elf Menschen in der Düsseldorfer Staatskanzlei den Landesverdienstorden. Eine der höchsten Auszeichnungen des Landes. Für besonders engagierte Personen, die, so Wüst, „als Vorbilder und Hoffnungsträger Werbeträger für die gute Sache sind. Die andere anstiften sollen, es ihnen nachzumachen.“

In der Geschichte des Landes gibt es bereits zahlreiche Menschen, die mit dem 1986 vom damaligen Ministerpräsidenten Johannes Rau (SPD) gestifteten Orden ausgezeichnet wurden. 1760 sind es insgesamt. Trotz dieser hoch erscheinenden Zahl gehe man keinesfalls verschwenderisch mit der Ehrung um, sagt Wüst. Man müsse schließlich bedenken, dass es 18 Millionen NRW-Bürgerinnen und Bürger gebe.

Und was zeichnet nun die am Freitag Geehrten aus? Da ist etwa Bärbel Ackerschott, die vor mehr als 30 Jahren eine Notschlafstelle und Krankenwohnung für obdachlose Drogenabhängige im Zentrum Kölns gründete, das sogenannte „Notel“. Wüst lobt sie für ihr jahrzehntelanges Engagement für Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen. Die Aachenerin Elisabeth Auchter-Mainz preist er dafür, dass sie als Opferschutzbeauftragte des Landes ein enges Netzwerk für Kriminalitätsopfer und deren Angehörige geknüpft habe. Ganz anders das Engagement des Korschenbroichers Horst Thoren, der sich für das Brauchtum einsetzt. Oder der Einsatz der früheren Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts Münster, Ricarda Brandts. Die Bochumerin engagiert sich mittlerweile als Vorsitzende der Uno-Flüchtlingshilfe.

Paradiesvogel unter den Geehrten ist bei dem feierlichen Akt in der Staatskanzlei indes einer, der selbst ein gespaltenes Verhältnis zu Orden hat. Der Düsseldorfer Karnevalswagenbauer Jacques Tilly, den Wüst in den höchsten Tönen lobt: Seit gut 30 Jahren entwerfe und baue dieser äußerst fantasievoll politisch-satirische Mottowagen für den Rosenmontagszug. Wüst: „Die Düsseldorfer Karnevalsverbände gewähren ihm buchstäbliche Narrenfreiheit. Und die weiß er zu nutzen. Pointiert und voller Spottlust stellt er mit stark überzeichneten, aber stets humorvoll wirkenden Großplastiken Missstände in Politik und Gesellschaft dar. Meinungsstark und mutig.“

Tilly scheue keine Institution, Staatsmacht oder Autorität, sagt Wüst. Mit großer Wirkung, wie der Ministerpräsident betont: „Seine Mottowagen werden von den Medien aus aller Welt aufgegriffen, und die Bilder zieren in den Tagen nach Karneval Titelseiten der deutschen und auch der internationalen Presse. Damit erweist sich Jacques Tilly als wichtiger Botschafter des traditionsreichen rheinischen Karnevalsbrauchtums.“

Wüst kommt aber noch auf ein anderes, weniger bekanntes Engagement des Düsseldorfers zu sprechen, als er sagt: „Jacques Tilly engagiert sich zudem seit 2004 im Beirat der „Giordano-Bruno-Stiftung“. Die Stiftung steht für einen evolutionären Humanismus und setzt sich für die Werte der Aufklärung ein. Besonders hervorzuheben ist hier sein Engagement für die Interessen ehemaliger Heim- und Internatskinder, die oft schwerste physische und psychische Verletzungen erlitten haben, sowie für die Opfer sexueller Gewalt in kirchlichen Institutionen.“

Aber ist es nicht seltsam für einen Mann wie Jacques Tilly, der doch gerade Politiker jeder Couleur bitterböse aufs Korn nimmt, ausgerechnet von der Politik geehrt zu werden? Im Gespräch mit dieser Zeitung sagt Tilly, dass sein Verhältnis zu einer solchen Ordensverleihung in der Tat „durchwachsen“ sei. „Einerseits will man als Satiriker von staatlicher Seite eher Kritik ernten. Strafanzeigen sind mir eigentlich lieber. Und wenn einem dann der Ministerpräsident einen Orden verleiht, denkt man, man hat was falsch gemacht.“

Andererseits, so fügt Jacques Tilly hinzu, sei es doch auch ein schöner Rückenwind, wenn auch die hohe Politik den Wert der Arbeit sehe. Die er im Übrigen nicht allein leiste, wie er betont, sondern das gesamte Team, das mit ihm in der Großplastiken-Schmiede in Düsseldorf werkelt.

Alle Ordensträger auf der Internetseite der Staatskanzlei:
https://www.land.nrw/pressemitteilung/ministerpraesident-hendrik-wuest-verleiht-den-verdienstorden-des-landes-4