Nach der Bundestagswahl Politologe: Wüst wäre guter Berater für schwierige Gespräche
Düsseldorf/Münster · Jetzt ist Fingerspitzengefühl statt Austeilen gefragt in der Bundespolitik. Ein Politikwissenschaftler rät Merz, von Wüst zu lernen, wie man über seinen Schatten springt.
Der Münsteraner Politik-Professor Norbert Kersting empfiehlt der Union, bei den anstehenden schwierigen Koalitionssondierungen auch auf moderate, erfahrene Länderchefs zu hören. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) wäre „ein guter Berater“, sagte Kersting der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf.
Immerhin habe der Wahlsieger der Bundestagswahl, Friedrich Merz (CDU), noch keine Regierungserfahrung und noch dazu als Oppositionspolitiker einen sehr pointierten Wahlkampf gemacht. „Da kannte er auch keine Verwandten und hat wirklich rigoros ausgeteilt“, stellte der Politikwissenschaftler fest.
Rat an Merz: Der Verstand kommt mit dem Amt
„Jetzt ist er in einer anderen Rolle, und es gibt den Spruch: Der Verstand kommt mit dem Amt.“ Jetzt komme es darauf an, sich auch in andere Positionen einfinden zu können. „Und da wäre er sehr gut beraten, sich abzusprechen mit den Landeschefs, die Koalitionen eingegangen sind.“
Die Forschung zeige, dass die Wählerschaft von CDU und SPD in vielen Bereichen deutlich näher zusammen liege als die öffentlich zugespitzten Positionierungen der Parteien. „Bei vielen innenpolitischen Themen hat man das Gefühl, die Parteien liegen weit auseinander“, sagte Kersting. „Die Wählerschaft der Parteien dringt aber darauf, dass man Lösungen findet und sie ist auch mehrheitlich der Meinung, dass das möglich ist.“
Wüst und die Kunst der Diplomatie
Wie das praktisch umzusetzen ist, könne aus den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und Grünen 2022 in NRW gelernt werden. „Das hat Wüst hervorragend gemacht, weil er da über den Schatten gesprungen ist.“ Obwohl die CDU sich im Wahlkampf deutlich von Grünen-Positionen zu erneuerbaren Energien abgegrenzt habe, habe Wüst erkannt, dass es in seiner Wählerschaft durchaus auch Unterstützer für Windkraft und Solarenergie gibt.
„Das wären die Brücken, die man suchen muss, wo beide Parteien über ihren Schatten springen und sagen: Unsere Wählerschaft ist eigentlich ähnlicher Meinung“, sagte Kersting.
„Wahl-Kompass“ verrät, was Wähler wirklich denken
Der Professor für vergleichende Politikwissenschaft erhebt seit einigen Jahren Wähler-Daten aus der Online-Entscheidungshilfe „Wahl-Kompass“, die er mit seinem Team entwickelt hat. Für die Bundestagswahl 2025 hatten Nutzer nach Angaben der Universität Münster Zustimmung oder Ablehnung zu 31 Thesen geäußert. Etwa 300.000 von rund 500.000 Nutzern spendeten diese anonymisierten Daten laut Kersting für wissenschaftliche Analysen.
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