Bundestagswahl Wuppertal: Helge Lindh und Jürgen Hardt sind die strahlenden Sieger

Wuppertal · In beiden Wuppertaler Wahlkreisen gewinnt die CDU bei den Zweitstimmen – SPD-Kandidat Lindh siegt gegen Haldenwang.

Helge Lindh (v.l.), Klaus Jürgen Reese und Dietmar Bell (allle SPD) freuen sich über Lindhs Ergebnis. Oben: Thomas Haldenwang (CDU) muss mit CDU-Chef Johannes Slawig seine Niederlage eingestehen. Unten: Ingo Schäfer (SPD, l.) gratuliert Jürgen Hardt (CDU) im Wahkreis II.

Foto: JA/Andreas Fischer

Gefeiert wird am Wahlabend im Barmer Rathaus ein Mann: Helge Lindh. Der aktuelle Bundestagsabgeordnete der SPD und Kandidat für den nächsten Bundestag hat die Mehrheit der Erststimmen mit 33,5 Prozent gewonnen. Als er bei der Wahlparty im Lichthof des Rathauses die Bühne betritt, gibt es viel Applaus von seiner Partei. Und als er nach dem kurzen Interview mit Angela Wegener den Raum verlässt, rufen sie „Helge! Helge!“. Auf dem großen Bildschirm sind bundesweite Prognosen und Hochrechnungen zu sehen. Die SPD verliert im Hintergrund. Lindh gewinnt.

Seine Partei hat danach ins Brauhaus um die Ecke geladen. Die Stimmung war nach dem Bundesergebnis schlecht. Später fassen sich die Sozialdemokraten aber wieder und jubeln ihrem Bundestagskandidaten zu, als er die Lokalität betritt. Lindh hatte im Wahlkampf wieder mächtig geackert, hatte mit Döner- und Pita-Verteilaktionen Bürger angelockt, um sie für die Belange der SPD zu gewinnen. Innenministerin Nancy Faeser holte er nach Wuppertal. Am Ende hat er geliefert. Ob das für ihn reicht, um wieder in den Bundestag in Berlin einzuziehen, wird sich zeigen. Nach der Reform funktioniert die Wahlarithmetrik anders als zuvor. „Aber es sieht gut aus für unseren Helge“, so die Einschätzung von Ben Thunecke, dem Chef der SPD-Fraktion im Stadtrat. Thuneckes Miene verdüstert sich indessen mit Blick auf die guten Ergebnisse der AfD auch in der Wuppermetropole. AfD-Mann Frank Schnaack holt 18,3 Prozent der Stimmen, landet damit auf Rang drei. Danach schon Till Sörensen Siebel von den Linken, er landet bei 9,1 Prozent. Ein starkes Ergebnis.

Bundestagswahl 2025, Wuppertal Thomas Haldenwang und Johannes Slawig

Foto: JA/Andreas Fischer

Was die SPD an Sympathien auf Bundesebene verloren hat, schreibt die Wuppertaler Unterbezirksvorsitzende Miriam Scherff der zerbrochenen Ampelkoalition zu. Statt sich über den Ampeleffekt zu ärgern, freut sie sich lieber „über den Helge-Effekt und das insgesamt gute Ergebnis“ der SPD in Wuppertal. Lindh selbst sagt: „Wir haben gelernt, dass wir eine Koalition so nicht führen dürfen wie in der Ampel.“ Nicht Selbstmitleid, aber hinreichend Selbstkritik sei jetzt gefordert, so Lindh. „Wir sind an einem Kipppunkt und müssen uns größte Mühe geben, die Demokratie zu verteidigen.“ Die Entscheidung, mit Olaf Scholz ins Rennen zu gehen, „habe ich für falsch gehalten und das hat sich bewahrheitet“.

Bei der CDU im Casino des Rathauses ist man sich nach der Hälfte der ausgezählten Bezirke bewusst: Das wird hier nicht mehr gut ausgehen für unseren Kandidaten. Thomas Haldenwang, bis Herbst vergangenen Jahres oberster Verfassungsschützer der Bundesrepublik und jetzt CDU-Spitzenkandidat im Quereinstieg, muss seine Niederlage eingestehen – und gratuliert schon früh Lindh zum erneuten Wahlkreissieg am Mikrofon im Rathaus.

„Ich bin über mein Ergebnis ein bisschen enttäuscht, weil ich mir mehr erwartet hatte“, sagt Haldenwang. „Das war mein erster Ausflug in die Politik, ich habe das intensiv betrieben, es wäre schön gewesen, wenn das auch von Erfolg gekrönt wäre.“ War es dann aber nicht. Haldenwangs Einzelergebnis steht konträr zum Sieg der Union im Bund und zum Zweitstimmenergebnis in Wuppertal: Da siegt die CDU vor der SPD. Was den Lindh-Erfolg noch respektabler macht. Gegen die größere Popularität Lindhs kommt Haldenwang nicht an. Er wolle, sagt der 64-Jährige am Abend, nachdem ihm unzählige Menschen auf die Schulter geklopft haben („Gut gekämpft“), auch weiter „politischer Mensch bleiben“. Und: „Ich werde meine Expertise sicher weiter einbringen. Und auch in Wuppertal mit Eifer bei der Sache bleiben. Hier winken im September ja schon die nächsten Aufgaben.“

CDU-Chef Johannes Slawig sieht als Parteichef gerne das Positive dieses Wahlabends: „Wir haben in Berlin die Politikwende geschafft, dazu haben wir beigetragen – auch wenn die Regierungsbildung jetzt schwierig wird.“ Und: Man habe in Wuppertal gewonnen bei den Zweitstimmen.

Bei den Grünen bleibt die Stimmung den Abend über nüchtern. „Erwartbar“ sei das Ergebnis im Bund gewesen, heißt es. Die ersten Prognosen lassen die Grünen nicht jubeln, eher Äußerungen wie „naja“ sind zu hören. Inan Özer, Sprecher des Grünen-Kreisverbands, sagt: „Für den Kampf gegen den Klimawandel und die Umstrukturierung in erneuerbare Energien ist das kein gutes Zeichen.“

Bundestagskandidatin Anja Liebert sagt: „Gefallen kann einem das Ergebnis nicht.“ Aber, so argumentiert sie: „Es ist bemerkenswert, dass die Grünen von den drei Ampelparteien am wenigsten verloren haben.“ Uwe Schneidewind, grüner Oberbürgermeister Wuppertals, sieht immerhin darin „eine Honorierung für die Gradlinigkeit und Klarheit grüner Politik“. Liebert führt das auch darauf zurück, dass die Grünen „fantastisch viele neue Mitglieder“ gewonnen haben, auch in Wuppertal.

Wahlparty zur Bundestagswahl 2025 in der Gläsernen Werkstatt.

Foto: Christian Beier

Ob sie wieder in den Bundestag einzieht, werde sich wohl erst in der Nacht entscheiden, sagt sie. Das hänge nach der Reform des Wahlrechts auch von den Ergebnissen in Bund und Land ab. „Letztes Mal bin ich ins Bett gegangen und wusste nicht, ob ich Abgeordnete werden. Diesmal wird es genauso sein.“

Frust herrscht derweil bei der FDP, als sich abzeichnet, dass es nicht reichen wird mit dem erneuten Einzug in den Bundestag. Zwar sagt FDP-Bundestagskandidat René Schunck („Für mich war der Wahlkampf eine gute Erfahrung“), „dass wir morgen früh drin sein werden, wenn denn auch knapp“, trotzdem ist das FDP-Fraktionsbüro im Rathaus schnell leer gefegt. FDP-Chef Marcel Hafke prophezeit der Bundesrepublik ohne die FDP ein „echtes Problem“, lässt aber auch die eigene Partei nicht davonkommen. „Es war nicht der Wahlkampf von Christian Lindner. Auf jeden Fall werden wir eine neue Parteiführung brauchen“, sagt Hafke im Rathaus. Und wenn es nicht reich? „Fangen wir wieder mal von vorne an.“

Im Wahlkreis 2 hingegen jubelt CDU-Mann Jürgen Hardt. Auch hier gewinnt die CDU bei den Zweitstimmen. Er geht davon aus, dass das Direktmandat zieht. „Da wird es andere Wahlkreise geben, in denen die CDU-Ergebnisse schwächer sind.“ Ingo Schäfer (SPD) gratuliert seinem Konkurrenten gegen 20.15 Uhr. „Das Ergebnis dreht sich nicht mehr“, sagt ein enttäuschter Schäfer. Das Ergebnis für die SPD sei desaströs. „Ich erwarte, dass das Konsequenzen hat“, sagte er mit Blick auf Berlin.