Zwischenbilanz des Untersuchungsausschusses III Polizisten als Zeugen im U-Ausschuss Kleve verweigern die Aussage

Düsseldorf · Gegen die Beamten, die Amad A. festnahmen, wird noch ermittelt. Das Gremium sucht in „Sherlock-Holmes-Arbeit“ nach Systemfehlern.

In dieser Zelle der JVA Kleve wurde Amad A. im September 2018 bei einem Feuer schwer verletzt, er starb am 29. September.

Foto: dpa/Markus van Offern

Es war eine der wohl kürzesten Zeugenvernehmungen in der Geschichte der Untersuchungsausschüsse. Am Dienstag sollten in dem Gremium, das im NRW-Landtag den Tod des unschuldig inhaftierten Syrers Amad A. untersucht, vier Polizisten aus Geldern gehört werden, die im Juli 2018 an dessen Festnahme beteiligt gewesen waren. Doch geschlossen verweigerten sie die Aussage – noch immer, weit mehr als ein Jahr später, wird gegen die Beamten wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung im Amt ermittelt. Und sie müssen sich nicht selbst belasten.

Insofern brachte die jüngste Ausschusssitzung zumindest den Erkenntnisgewinn, dass weiterhin aus mehreren Richtungen versucht wird aufzuklären, wie es passieren konnte, dass ein hellhäutiger Mann mit einem Schwarzafrikaner verwechselt wurde und an dessen Stelle mehr als anderthalb Monate lang im Gefängnis saß. Und wie aufwendig diese „Sherlock-Holmes-Arbeit“, wie Stefan Engstfeld von den Grünen sie nennt, für die Parlamentarier ist. Schon 120 Namen stehen auf der Zeugenliste – und sie wird ständig länger.

Festnahme, Veränderung der Daten, wieder Festnahme

Die Aufklärer im Landtag gehen chronologisch vor. Zunächst ermitteln sie die Umstände der Festnahme, dann beleuchten sie die Zeit der Haft in der JVA Kleve. Was der Untersuchungsausschuss bisher weiß: Am 4. Juli wurde Amad A. wegen Schwarzfahrens in Krefeld festgenommen und erkennungsdienstlich behandelt. Er durfte gehen – kurze Zeit später führte eine Regierungsbeschäftigte der Polizei in Siegen die Datensätze von Amad A. und dem Mann aus Mali, der diesen Namen als Alias-Identität nutzte und mit Haftbefehl gesucht wurde, zusammen. Am 6. Juli soll A. junge Frauen an einem Baggersee in Geldern belästigt haben, eine von ihnen rief ihren Vater an – einen Polizisten. Sogleich rückten zwei Streifenwagen aus und nahmen den Syrer fest. Eine junge Kommissarin, die damals vor Ort war, saß am Dienstag auf der Zeugenbank – auch sie sagte nichts über jenen Tag.

„Diese Zeitabläufe haben schon ein Geschmäckle“, sagt Engstfeld. Jetzt müsse ermittelt werden, wer der Siegener Regierungsbeschäftigten auftrug, die Datensätze zusammenzuführen und wieso. Und weshalb nach der Verhaftung niemandem auffiel, dass A. laut diesen Daten sowohl westasiatisch als auch schwarzafrikanisch aussah, 67 und zugleich 87 Kilo wog. „Man hätte sehen müssen, dass mit dem Datensatz etwas nicht stimmt“, meint Sven Wolf von der SPD. Für Martina Hannen (FDP) wirken die Ereignisse einstweilen wie „eine tragische Verkettung von Umständen“. Engstfeld möchte indes noch nicht bewerten, ob nicht auch Vorsatz an einer Stelle im Spiel war.

In jedem Fall zeige der Fall Amad A.: „Wir haben offensichtlich Systemfehler. Die müssen wir finden und abschalten. Dafür ist Politik doch da“, so der Grünen-Politiker. Das habe er auch dem Vater von Amad A. versprochen. Eine Systemveränderung gibt es schon: Im Datensystem „Viva“ erscheint bei jeder Abfrage heute sofort ein Foto der jeweiligen Person. Eine kleine Nachbesserung, die bei A. womöglich alles geändert hätte.