„Don Giovanni“ im Jungen Schauspielhaus „Don Giovanni“ kindgerecht aufbereitet
Düsseldorf · Das Junge Schauspielhaus zeigt Mozarts „Don Giovanni“ aus feministischer Perspektive. Farnaz Arbabi verlegt die Handlung in die Schule.
Keinen leichten Stoff hat sich Regisseurin Farnaz Arbabi für ihr neues Bühnenstück „Don Giovanni“ vorgenommen. Don Giovanni, das ist doch dieser Womanizer, den sich Wolfgang Amadeus Mozart einst ausgedacht hat. Leporello (Jonathan Gyles) liebt Musik, aber nicht Rap und Hip-Hop, sondern Oper. Der Teenager schwärmt von Mozarts Helden und hält sich selbst „für den intelligentesten Zwölfjährigen der Welt“. In seinem besten Kumpel Johan (Fatih Kösoglu) sieht er einen modernen Don Giovanni. Schließlich ist er der coolste Junge an der Heinrich-Heine-Schule, der in jedem Stadtteil Düsseldorfs Mädchen hat, die ihn anhimmeln.
Die Freunde gehen in die Klasse 6a, genauso wie die schüchterne Anna (Natalie Hanslik). Jeder hat dort seinen Platz, selbst die Lehrerin, Frau Steinberg (Eva Maria Schindele), fest verhaftet in Geschlechterrollen-Klischees, will mehr Freundin als Pädagogin sein. Für sie ist es „typisch Jungs“, dass sie den Aufschneider geben, und „typisch Mädchen“, wenn sie sich in so coole Typen wie Johan „verknallen“. Selbst der unsicheren Anna unterstellt die Lehrerin, für den von allen begehrten Klassenkameraden Johan zu schwärmen. Während einer Projektwoche kurz vor den Sommerferien stößt Elvira (Felicia Chin-Malenski) zu der Schülergruppe. Anders als Anna lässt sie sich nicht von Johans plumper Anmache einschüchtern und gibt ihm selbstbewusst Kontra. Farnaz Arbabi gelingt der Spagat, ernste Themen wie Ausgrenzung, Sexismus und überholte Rollenbilder mit leichter Hand aufzubereiten. Dabei darf hier und da auch mal geschmunzelt werden, zumindest zu Beginn der Geschichte. Denn das Stück richtet sich an ein junges Publikum ab zwölf Jahren.
Abgesehen vom Namen und der Womanizer-Attitüde der Hauptfigur hat Arbabis „Don Giovanni“ nicht mehr viel mit dem Klassiker gemein. Gesungen wird zwar auch, doch die musikalischen Einlagen aus der Feder von Mathias Höderath sind weit genug von der Vorlage entfernt, um die Zuschauer neugierig auf Mozarts Original zu machen.
Die 6a tut sich schwer mit der neuen Mitschülerin. Elvira hat eine Meinung, und die vertritt sie, sie denkt mit und argumentiert. Was Frau Steinberg ziemlich aus dem Tritt bringt. Sie scheint irgendwie aus der Zeit gefallen zu sein und befeuert durch ihr Verhalten die Ereignisse noch, die schließlich zur Eskalation führen. Mädchenschwarm Johan erlebt zum ersten Mal eine Abfuhr. Elviras Abwehr deutet er falsch, glaubt darin „echte Gefühle“ zu erkennen. Ihr Nein will er nicht akzeptieren und wird darin durch Leporello noch bestärkt.
Unvermeidlich steuert die Geschichte auf den dramatischen Höhepunkt zu, wenn Leporello seinem Freund Johan mit dem Verweis auf sein Idol Don Giovanni sagt, Mädchen müssten einfach mal geküsst werden. Selbst wenn sie sich anfangs zieren, werden sie sich mit etwas Überzeugungskraft schließlich doch hingeben.
Die Autoren des Stücks, Jens Ohlin und Hannes Meidal, sind bekannt dafür, Klassiker zu überschreiben. Sie lassen Elvira die Szenen der Gewalt und der körperlichen Übergriffe erzählen. Die Botschaft, die vermittelt wird, ist klar: Nein heißt Nein, ohne Wenn und Aber. „Don Giovanni“ wirft auch ein Schlaglicht auf das Umfeld, wie bei der Lehrerin, die das Offensichtliche nicht sehen will, und der Mitschülerin Anna, die sich nicht traut, ihren Klassenkameraden die Stirn zu bieten und Elvira beizustehen. Farnaz Arbabi holt ihr junges Publikum da ab, wo sie im Alltag möglicherweise mit ähnlichen Situationen konfrontiert werden: im Mikrokosmos Schule, der häufig idealer Nährboden für Sexismus, Mobbing und Ausgrenzung ist.
Im Anschluss an die Premiere konnten die Jugendlichen mit den Schauspielern ins Gespräch kommen. Sie wollen ihrem Publikum auch nach den weiteren Aufführungen dafür zur Verfügung stehen. Im Begleitheft zum Stück sind Adressen und Ansprechpartner für Schüler aufgelistet, wenn sie Hilfe brauchen, beispielweise weil sie aufgrund ihrer sexuellen Orientierung ausgegrenzt werden oder Gewalt und Mobbing erfahren.