Prozess um Hauseinsturz in Düsseldorf Baustelle an der Luisenstraße fehlte ein Sicherheitsexperte

Düsseldorf · Im Prozess um den Hauseinsturz mit Todesfolge erhebt die Staatsanwaltschaft Vorwürfe gegen Architektin und Bauleiter.

Im Juli 2020 stürzte in einem Gebäude an der Luisenstraße eine tragende Wand im Erdgeschoss ein – und mit ihr das gesamte Haus.

Foto: Verena Kensbock

Bei einer Frage holte der Gutachter tief Luft, hielt inne und überlegte. Wäre einem Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator  aufgefallen, dass die tragende Wand zwar Einschnitte, aber keine Abstützung hatte? Ja, antwortete er schließlich. Der Experte hätte zuvor die Pläne zu dem Bauvorhaben studiert, die dicke Wand im Erdgeschoss gesehen und die gelb markierten Durchbrüche. „Da würden beim Sigeko die Alarmglocken läuten“, sagte der Sachverständige.

Einen Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator, kurz Sigeko, hat es auf der Baustelle an der Luisenstraße 25 aber nicht gegeben. Am 27. Juli 2020 stemmten Arbeiter Durchbrüche in jene tragende Wand im Erdgeschoss. Die Wand stürzte ein und mit ihr das gesamte Haus. Zwei Männer starben unter den Trümmern. Hätte ein Sicherheitskoordinator das verhindern können?

In dieser Frage hat das Landgericht Düsseldorf den Sachverständigen Bruno Isstas konsultiert. Er gab am Mittwoch einen Einblick in die Aufgaben und Arbeiten eines Sicherheits- und Gesundheitskoordinators – diese Ausbildung habe er selbst absolviert, sagte Isstas.

Die Aufgabe eines Sigekos sei, kurz zusammengefasst, Risiken auf der Baustelle zu erkennen und die Verantwortlichen darauf hinzuweisen. Weisungsbefugnis habe er nicht, er könne also nicht die Baustelle stilllegen lassen. Aber wenn eklatante Mängel auffielen, könne er das Bauaufsichtsamt alarmieren.

In der Regel werde der Sicherheitskoordinator vom Bauherren beauftragt, meist nach Hinweis durch den Architekten. Anhand der Baupläne sollte er alle Stellen benennen, an denen Sicherheitsrisiken bestehen könnten, und die Beteiligten auf die Gefahren hinweisen. Dazu könne er zum Beispiel Sicherheitsbesprechungen mit allen Beteiligten einberufen, sagte Isstas. Die Durchbrüche in der tragenden Wand im Erdgeschoss wären definitiv ein solches Risiko gewesen, so der Gutachter. Die Hinweise hätte ein Sigeko im Bauplan eintragen und an die Architektin, die Bauherrin oder den Statiker weitergeben müssen. Sporadisch sollten Sicherheitskoordinatoren auch die Baustellen besuchen und die Arbeiten prüfen.

Das alles sei die ideale Umsetzung. In der Realität würden die Sicherheitskoordinatoren auf den Baustellen oftmals nicht ernstgenommen, sagte der Gutachter. Der Umgang sei mitunter hemdsärmelig und die Ausbildung nicht ausreichend. An der Luisenstraße gab es gar keinen Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator. Die Staatsanwaltschaft wirft der Architektin und dem Bauleiter vor, den Experten nicht angefordert zu haben.

Ob es einen solchen Sigeko auf der Baustelle gebraucht hätte, ist eine Frage, die das Gericht nun auslegen muss. Denn die sind nur bei größeren Baustellen mit besonders gefährlichen Arbeiten vorgeschrieben.

Das Verfahren, das im Oktober begonnen hatte und ursprünglich bis Ende Februar geplant war, wird sich wohl noch bis in den März ziehen. Nächste Woche wird der Sachverständige sein Gutachten zum Hauseinsturz vorstellen. Zudem hat nun auch der letzte Angeklagte eine Einlassung angekündigt. Der Chef eines Subunternehmens wird seine Verteidiger am kommenden Mittwoch eine Stellungnahme verlesen lassen, kündigten die Anwälte an. Auch Rückfragen an den angeklagten Statiker stehen noch aus, zudem stehen weitere Zeugenaussagen im Raum. Erst dann wird die Kammer die Beweisaufnahme schließen.

(veke now)