Protest gegen RWE-Rodung Innenminister: Baumhaus-Bauer im Hambacher Forst sind schuld am Tod des Journalisten

Während das letzte Dorf der Aktivisten geräumt wird, diskutiert am Donnerstag der Innenausschuss des Landtages über den Sturz des 27-Jährigen.

Foto: dpa/David Young

Von Juliane Kinast

Düsseldorf/Kerpen. Heftige Proteste begleiten im Hambacher Forst die Räumung des letzten Baumhaus-Dorfes „Lorien“. Die Aktivisten stellten sich am Donnerstag energisch den Einsatzkräften entgegen, leisteten passiven Widerstand. Und wieder gab es einen Unglücksfall: Eine Bewohnerin trat von einem Baumhaus auf eine Leiter, um Kranarbeiten bei der Räumung sehen zu können, und stürzte sechs Meter in die Tiefe – Notärzte kümmerten sich sofort um die verletzte Frau.

Nicht einmal zehn Tage nach dem tödlichen Sturz eines 27-Jährigen steht die Räumung der Baumhäuser kurz bevor – mit 50 bis 60 Hütten hatte die Polizei im Vorfeld gerechnet, bis zum Mittwochabend waren schon 64 Häuser abgebaut. Der Unglücksfall am 19. September beschäftigte am Donnerstag auch die Landespolitiker: Im Innenausschuss berichtete der zuständige Minister Herbert Reul (CDU) von den Ermittlungen des Polizeipräsidiums Mönchengladbach. Die Schuldfrage ist aus seiner Sicht klar: Sie liegt bei dem Erbauern der Baumhäuser.

Der 27-jährige freie Journalist und Betreiber eines Youtube-Kanals war laut einem Freund seit zwei Tagen im Wald gewesen. Dieser Zeuge sei gekommen, um eine volle Speicherkarte mit Fotos von ihm entgegenzunehmen und eine leere zu bringen. Er habe noch gesehen, wie der junge Leverkusener die Hängebrücke betreten habe. Dann habe er nur ein lautes Knacken gehört und einen Aufprall – erst als er näher kam, habe er seinen Bekannten auf dem Boden liegen sehen. Weitere Zeuginnen berichteten laut Reul, dass der junge Mann allein auf der Brücke gewesen sei, eine spricht davon, dass er sich unmittelbar vor dem Absturz in die Sicherung seines Klettergurtes habe einklinken wollen. Einen solchen Versuch indes zeigten die Bilder einer 360-Grad-Kamera, die am Helm des 27-Jährigen befestigt war, nicht. Die Kamera filmte, wie der Fuß des Mannes durch das Holz brach, er noch nach dem Stahlseil griff, sich aber nicht halten konnte. Während der gesamten Dauer sei keine Person in seinem Umfeld zu sehen, referierte Reul.

Reul: Aktivisten sangen während der Reanimation des Mannes

Schockiert zeigte sich der Innenminister über Berichte von Einsatzkräften, Bewohner eines nahegelegenen Baumhauses hätten während der Reanimation des 27-Jährigen mehrfach gesungen: „Scheiß drauf, Räumung ist nur einmal im Jahr“ – angelehnt an einen Ballermann-Hit. Zudem zeigte er auf Bildschirmen Bilder von mit Exkrementen beworfenen Polizisten. Er selbst habe mit betroffenen Beamten gesprochen: „Das empfehle ich jedem anderen auch mal.“ Marc Lürbke von der FDP nannte diese Vorfälle „unterirdisch und menschenverachtend“. Es sei wichtig, aus dem Landtag zu signalisieren, „dass wir den Beamten politische Rückendeckung geben.“

Keinen Zweifel ließ Reul daran, dass man dem Polizeieinsatz keinerlei Schuld an dem Tod des 27-Jährigen geben könne. „Den Sturz verantwortet derjenige, der diese Brücke gebaut hat“, sagte er. Und er bekam Rückendeckung von SPD-Politiker Guido van den Berg, der betonte, dass es auch in den Jahren zuvor – 2014 und 2017 – im Hambacher Forst bereits schwere Stürze gegeben habe.

Der Innenminister bekräftigte seine Achtung vor dem friedlichen Protest der Rodungsgegner. Stellte aber auch klar, dass jeder, der sich nicht klar von Gewalttäter abgrenze oder sogar beim Bau von Barrikaden auf Rettungswegen helfe, zu diesen Chaoten gehört: „Jeder, der etwas in den Wald hineinschleppt, ist ein Teil davon.“ Damit meinte er auch Abgeordnete der Grünen, die sich bei Demonstrationen zwischen Aktivisten und Polizei gestellt hätten. Fraktionsmitglied Matthi Bolte-Richter wies das entschieden zurück. „Wir haben nicht Partei ergriffen.“ Dass die Politik Einsätze begleite, sei gängig und angemessen.

Der Show-Down für den Dauereinstz im Forst indes steht wohl erst noch bevor: RWE-Chef Rolf Martin Schmitz bekräftigte gegenüber dem „Handelsblatt“ das Festhalten an den Rodungsplänen: „Der Wald ist schlichtweg nicht mehr zu retten. Alles andere ist eine Illusion“, sagte er.