Schüler erleben Geschichte mit Zeitzeugen

Leibniz-Gymnasium bringt Theaterstück mit Überlebenden des Holocaust auf die Bühne.

Foto: Marek

Dormagen. Die Idee zum Zeitzeugentheater stammt aus Israel. Sie ist dort ein wichtiger Teil der Erinnerungskultur. Neun Gymnasiasten des Leibniz-Gymnasiums nutzten nun die Chance, mit Überlebenden des Holocaust gemeinsam ein Theaterstück zu realisieren.

„Natürlich haben mich auch die Fakten interessiert, aber vor allem fand ich es toll, mit Leuten zu reden, die diese schrecklichen Ereignisse tatsächlich mitgemacht haben“, meint Regine Müller (16), eine der Darstellerinnen. „Ich kann mir das jetzt viel besser vorstellen, wie es gewesen sein muss, damals“, sagt Manuel van der Veen (16).

Zwei der Zeitzeugen, die sich an dem Projekt beteiligten, haben früh erkannt, wie wichtig es ist, ihre Erlebnisse aus der Nazizeit weiterzugeben. Peter Finkelgrün hat schon drei Bücher, zwei Filme und ein Theaterstück zum Thema herausgebracht.

Tamar Dreifuß hat den Wunsch ihrer Mutter erfüllt und deren aufgeschriebene Erlebnisse zuerst ins Hebräische, dann ins Deutsche übersetzt und publiziert. „Wenn Manuel den Brief vorliest, den mein Vater mir 1949 geschrieben hat, dann berührt mich das jedes Mal sehr stark“, sagt Peter Finkelgrün.

Von den teilnehmenden Jugendlichen waren alle Zeitzeugen beeindruckt. In den 70er Jahren seien die jungen Menschen noch durch die autoritäre Struktur geprägt gewesen. Die jetzige Zusammenarbeit mit den Gymnasiasten wäre dagegen eine wunderbare Erfahrung gewesen. „Die Schüler waren absolut offen und haben frei nach allem gefragt, was sie interessierte“, meint Finkelgrün.

Wie sehr die beiden Generationen durch die Treffen und Proben zusammengewachsen sind, sah man in der Aufführung. Von Anfang an standen Schüler und Zeitzeugen gemeinsam auf der Bühne. In szenischen Darstellungen stellten die Schüler das Schicksal der Zeitzeugen dar, während die Zeitzeugen ihrerseits mit gelesenen Texten einzelne, einschneidende Momente ihrer Lebensgeschichte in der Verfolgung wiedergaben.

Es war tief bewegend, als der älteste Teilnehmer der Gruppe, der 91-jährige Helmut Scholz, von seinem Werdegang berichtete: von der jüdischen Abstammung seiner Oma und seiner Mutter und vom Vater, dem Polizisten, der aufgrund der jüdischen Wurzeln seiner Ehefrau nach 1939 nicht mehr befördert wird.

Ergriffen war das Publikum, unter dem sich auch viele Schüler des Leibniz-Gymnasiums befanden, von der Darbietung der Schüler. Wenn etwa der Vater der damals vierjährigen Tamar Schapiro aus dem Ghetto in Wilna abgeholt wird und die kleine Tochter ihn fragt: „Papa, wo willst Du hin?“ Es waren aber nicht nur bedrückende Szenen zu sehen.

Der Applaus, den die Darsteller ernteten, war überwältigend. Mit stehenden Ovationen belohnten die Zuschauer, zu denen auch die NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann gehörte, die berührende Darstellung.