Außerordentlicher Parteitag der SPD: Thiels großer Rundumschlag
Landtagsabgeordneter führt SPD als Spitzenkandidat in die Kreistagswahl.
Grevenbroich. Der Vorstand der SPD im Rhein-Kreis Neuss hatte gut vorgearbeitet und legte den Delegierten auf dem Außerordentlichen Parteitag eine Satzungsänderung vor, die durch Mehrheitsentscheid von 105 Parteigenossen beschlossen wurde. So wurde die von der Bundes-SPD geforderte neue Quotenregelung auch auf Kreisebene eingeführt und im Anschluss an den kurzen Parteitag bei den Wahlen der Kreistagskandidaten direkt angewendet. „Wir haben eine gut durchmischte Kandidatenliste erarbeitet, bei der wir auch eine altersmäßig homogene Struktur haben“, erklärte der Kreisvorsitzende Klaus Krützen.
Krützen eröffnete mit seiner Begrüßungsrede den Wahlkampf und legte den Genossen eine Strategie ans Herz. „Wir müssen unser Profil auf kommunaler Ebene nun klar herausarbeiten und den direkten Kontakt zu den Menschen suchen“, so Krützen unmissverständlich. Er rückte die SPD von der beim Kreis bisweilen praktizierten „Gutsherrenpolitik“ ab, die einigen Gemeinden „fast das Rückgrat bricht“.
Am Beispiel von Martin Mertens, der gerade erst den Rommerskirchener SPD-Bürgermeister Albert Glöckner als Nachfolger beerbt hat, und Erik Lierenfeld, der in Dormagen starke Unterstützung für die Nachfolge von Olaf-Peter Hoffmann von der SPD bekomme, sei deutlich, dass die SPD eine enge Verbundenheit auch zu ihren jungen Kandidaten demonstriere.
Einheit zeigten die bei der Wahl der Kreistagskandidaten anwesenden 113 Delegierten, denn sie wählten die 33 Direktmandate fast einstimmig und folgten den Vorschlägen des Parteivorstandes mit großer Mehrheit aller Stimmen.
Die 33 Wahlkreise wurden mit einer 66 Namen umfassenden Liste besetzt. Überraschungen gab es dabei keine. Es kam nur zu einer Kampfabstimmung um den Platz vier der Liste, für den der Vorstand die Neusserin Sabine Kühl vorgeschlagen hatte. Die ebenfalls aus Neuss stammende Margot Dubbel beanspruchte diesen Platz ebenfalls für sich. Die Delegierten folgten in ihrer Abstimmung auch diesmal dem Vorschlag des Vorstandes. So blieb Kühl mit 56:50 Stimmen auf Platz vier hinter Rainer Thiel (Platz eins), Gertrud Servoz (Platz zwei) und Klaus Krützen (Platz drei).
Interessant seien die ersten 20 Listenplätze, so Martin Mertens, denn die Kreis-SPD rechne mit zwei Direktmandaten (Rommerskirchen und Grevenbroich-Süd) und Chancen auf über 20 Mandate im neuen Kreistag.
Rainer Thiel holte in seiner Ansprache zu einem Rundumschlag auf die aktuelle Kreispolitik aus. „Unser Ziel ist es, die Machtverhältnisse im Kreis zu verändern, damit endlich eine andere Politik gemacht wird“, so der Landtagsabgeordnete.
Er stellte den Doppelhaushalt des Kreises und die falsch dargestellten Sparerfolge an den Pranger. „Der Kreis hat sich auf Kosten der Gemeinden und Städte entschuldet. 372 Millionen Euro Rücklagekapital hat der Kreis seit 2008 verbraucht. Da war kein sparsamer Kaufmann am Werk, das ist Taschendiebstahl.“
Unverständnis zeigte Thiel auch für die Reiselust der Kreisspitze. Denn nur eine Delegation aus dem Rhein-Kreis Neuss sei beim Umweltgipfel und den Olympischen Spielen anwesend gewesen. Ein messbares Resultat für den Standort habe es dadurch jedoch nicht gegeben. Höhere Arbeitslosenzahlen als in Land und Bund seien ein sicherer Hinweis für den Misserfolg.
Der Kreis leiste sich unsinnige Prunkbauten wie die Internationale Schule in Neuss oder ein neues Kreisarchiv und lasse einkommensschwache Menschen im Regen stehen. Denn bezahlbarer Wohnraum fehle noch immer. Diesen abgehobenen Stil wolle die SPD nicht. „Wir wollen wieder den Menschen ins Zentrum setzen“, unterstrich Thiel.
Die ablehnende Haltung des Landrates gegenüber dem Ausbau der Bahnlinie RB 38 zur S-Bahn sei eine Katastrophe für Grevenbroich, die an „unterlassener Hilfeleistung“ grenze. Des Weiteren fehle Transparenz in der interkommunalen Zusammenarbeit des Kreises und eine kreisweite Klimaschutzpolitik für die Zeit nach der Braunkohle.