Autor aus Grevenbroich Wenn der Opa Hitler die Stirn bietet
Grevenbroich/Neuss. · Wolfgang Isenrath hat ein Buch über seinen Großvater geschrieben. Dieser hatte als Polizeipräsident Adolf Hitler eine Rede untersagt.
Wolfgang Isenrath ist stolz auf seinen Großvater. Und das obwohl er ihn überhaupt nicht kennengelernt hat. „Da mein Opa 1951 gestorben ist, hatte ich nur ein paar Fotos von ihm gesehen“, sagt der 61-Jährige. Auch sein Vater hätte nie viel erzählt und die Familiengeschichte totgeschwiegen. Anfang 2019 änderte sich das. Isenrath stöberte in seinem Keller in Kisten, die aus dem Nachlass seines 2016 verstorbenen Vaters stammten. Der gebürtige Neusser fand eine ganz neue Seite an seinem Großvater kennen: Jakob Isenrath war Polizeipräsident und wehrte sich gegen Nationalsozialisten. Er untersagte Adolf Hitler unter anderem eine Rede in Rheydt, wo er damals sein Amt inne hatte.
Schnell wurde Isenrath klar, auf was für einen historischen Schatz er gestoßen ist. In den Kisten befand sich privater Schriftverkehr von seinem Großvater, zum Beispiel an den Kommandeur der Alliierten im Jahr 1946. Auch etliche Fotos lagen dabei. Besonders versunken ist Isenrath allerdings in eine originale Handakte seines Großvaters, in der er seine Erlebnisse und seine Gefangenschaft zu Zeiten des Ruhrkampfes in den Jahren 1923 und 1924 in einem handgeschriebenen Aufsatz verarbeitete. „Ich habe festgestellt, dass mein Opa bereits damals den Wunsch verspürte, die Schriften zu veröffentlichen“, sagt Isenrath. „85 Jahre später bin ich seinem Wunsch nun nachgekommen.“
Das Buch behandelt das Leben von Jakob Isenrath in chronologischer Reihenfolge. Auch ganz private Dinge sind dort zu lesen. Oft spielen dabei Nationalsozialisten eine Rolle. „Die Familie von meinem Großvater wurde in einer Nacht von den Nazis überfallen“, berichtet Isenrath. „Er war richtig traumatisiert von diesem Erlebnis, hat Jahre danach noch Anzeigen geschrieben und versucht, seine Peiniger vor Gericht zu bringen.“ Der Neusser, der mit seiner Frau in Hemmerden wohnt, widmete sich dem Buch und seinem Großvater fortan jeden Tag, bis zu fünf Stunden lang, für sechs Monate. Er hatte ausreichend Zeit für sein Buch, da er aufgrund einer schweren Lungenerkrankung im November 2016 frühzeitig in Rente gegangen ist. Zuvor war er zehn Jahre lang kaufmännischer Leiter im Kinderheim St. Stephanus in Grevenbroich-Elsen.
Unterstützung von der
Stadt und der Polizei
Im Keller richtete sich Isenrath einen Arbeitsplatz ein, wühlte in den geschichtlichen Dokumenten, erstellte Personen- und Ortsregister. „Ich habe oft zu meiner Frau gesagt: ‚Ich bin dann mal bei Opa’ und war dann für Stunden weg“, erinnert er sich. Unterstützung bekam er vom Stadtarchivar und der Polizei in Mönchengladbach, die weitere Informationen und Fotos zusammentragen konnten. Da Isenrath viele Dokumente nicht lesen konnte, da sie in alter Schrift geschrieben worden waren, hat sie ein Experte übersetzt. Das Buch wurde für Isenrath bald eine sehr emotionale und intensive Angelegenheit. „Beim Lesen der Dokumente konnte ich richtig die Angst von meinem Opa spüren, die er vor den Nazis hatte“, sagt er. „Ich habe mich in die Familie von damals hineinversetzt“. So fielen ihm nicht nur einige Formulierungen leichter, er blieb auch mit Herz und Seele bei der Sache.
Durch seine Recherche lernte der Enkel seinen Großvater immer besser kennen. Das sei auch eine Motovation für sein Buch gewesen. „Ich habe gemerkt, dass mein Opa eine ähnliche Persönlichkeit hat wie ich. Wir schwimmen nicht mit dem Strom“, sagt er. „Ich bin mir sicher, wir hätten uns gut verstanden.“ Mit dem Buch will Isenrath aber auch ein Andenken für seinen Opa schaffen. „Mein Großvater hat viel geleistet und es wurde nie honoriert“, sagt er. „Ich wollte, dass seine Lebensleistung endlich gewürdigt wird.“Auch privat hat sich das Buch gelohnt. Die Familie ist enger zusammengerückt. Im Frühjahr ist ein Treffen mit Cousins geplant, die der Schriftsteller lange oder noch nie gesehen hat. Eines ist klar: Sein Großvater wäre stolz auf ihn.