Sondersitzung des Kreistages in Grevenbroich Der Kreis geht den Strukturwandel an
Rhein-Kreis. · Damit die Region wirtschaftlich stark bleibt, will der Kreistag geschlossen handeln.
Im Kreistag herrscht Einigkeit: Wenn der Strukturwandel gelingen soll, dann ist Geschlossenheit angesagt – kein parteipolitisches Geplänkel. Das war die einhellige Meinung nach einer mehr als zweieinhalbstündigen Sondersitzung am Mittwoch in Grevenbroich. Die Fraktionen werden nun die unterschiedlichen Vorschläge zur Zukunft der Region intern diskutieren, bis zur nächsten Sitzung des Kreistages sollen Prioritäten festgelegt werden. Ziel ist ein Gesamtkonzept, mit dem Kreis auch in das Rennen um Fördergelder in einer Höhe von 15 Milliarden Euro gehen will.
„Wir müssen die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass die industrielle Wertschöpfungskette erhalten bleibt, dass neue Geschäftsfelder erschlossen werden und Unternehmen sich ansiedeln können“, sagte Landrat Hans-Jürgen Petrauschke. Das sei eine Gemeinschaftsaufgabe aller Akteure in Bund, Land, Kreis, in den Kommunen, der Region und der Wirtschaft. Mit Projekten wie „Campus Changeneering“, „Alu-Valley“ und „Reviermanagement Gigabit“ sollen gezielt die Voraussetzungen für hochwertige, gut bezahlte Arbeitsplätze geschaffen werden. Geeignete Flächen müssten zur Verfügung gestellt, die Infrastruktur gestärkt werden.
„Strukturwandel – das ist eine Herausforderung, gleichzeitig aber auch eine große Gestaltungs-Chance“, sagte der von den Grünen eingeladene Klimaforscher Manfred Fischedick vom Wuppertal-Institut. Nach Einschätzung des Professors stehe der Kreis vor einer nicht allzu schlechten Ausgangslage – „er ist wirtschaftlich stark und hat gute Aussichten, als Gewinner aus dem Rennen hervor zu gehen“. Wichtig sei es, die Ziele für den Strukturwandel klar zu definieren und die Bevölkerung auf dem Weg zu einer neuen Identität der Region mitzunehmen. Manfred Fischedick riet dazu, künftig auch auf innovative Technologien zu setzen, der Rhein-Kreis könne sich etwa zur Modellregion für Wasserstoff-Mobilität entwickeln, etwa mit Standort bei der Firma „Air Liquid“ in Dormagen.
Das Kraftwerk Frimmersdorf
wird 2022 endgültig stillgelegt
Auch „Power to Gas“- oder „Liquid to Gas“- Anlagen auf dem Gelände des Kraftwerks Frimmersdorf, das 2022 endgültig stillgelegt wird, seien nach Meinung des Klimaforschers möglich. Entsprechende Untersuchungen würden bereits laufen, darüber hinaus gebe es Anfragen für eine Batteriezellen-Produktion auf dem künftig freiwerdenden Areal, signalisierte Wilfried Pakmor von RWE Power. Ziel des Energiekonzern sei es, das Areal in Zukunft für großindustrielle Arbeitsplätze zu nutzen. Dafür gibt es bereits eine grobe Planung mit dem Namen „FRITZ“, der kurz für „Frimmersdorfer Innovations- und Technologiezentrum“ steht.
Dabei geht es nicht nur um das reine Kraftwerksgelände, sondern auch um die umliegenden Werkseinrichtungen bis hin zur Verwaltung des Tagebaus Garzweiler. „Das sind mehr als 160 Hektar, die in den nächsten 20, 30 Jahren schrittweise freiwerden“, sagte Pakmor. Konkreter geplant sind Anlagen zum Baustoff-Recycling in Kooperation mit einem Fraunhofer-Institut – denn beim Abbruch des Kraftwerks fallen etwa 1,5 Millionen Kubikmeter Steine und Beton an.
Mit dem frühzeitigen Ausstieg aus der Braunkohle sei zwar nun der Turbo-Gang in Sachen Strukturwandel eingelegt worden – aber: „Wir haben gute Konzepte“, sagte CDU-Fraktionsvorsitzender Dieter Welsink und meinte: „Wir können mit Zuversicht und Perspektive in den Prozess gehen.“ Die Rahmenbedingungen seien gut und der Kreis sei mittlerweile geübt in Transformations-Prozessen. Wichtig sei es nun, die klaren Ziele zu formulieren – „dabei müssen wir alle Gremien des Kreistages mitnehmen“.
Was nun „ganz schnell gebraucht“ wird, seien Flächen und konkrete Projekte: „Wir sind Industrieregion und wollen das auch bleiben“, sagte SPD-Fraktionsvorsitzender Reiner Thiel, der sich bei dieser Forderung „ganz auf der Seite des Landrates“ sieht. Da durch die Stilllegung von Kraftwerksblöcken bereits kurzfristig tausende Arbeitsplätze wegfallen würden, müssten neue Perspektiven für zukunftssichere Jobs geschaffen werden – „es geht um Infrastruktur und Flächen“, sagte Thiel. Er erwarte von Bund und Land besondere Anstrengungen und finanzielle Förderungen. Nach den Empfehlungen der Kohle-Kommission seien die Würfel gefallen – „wir müssen jetzt den Blick nach vorne richten und uns gemeinsam in der Auseinandersetzung um die Verwendung der 15 Milliarden Euro aufstellen“, sagte Hans-Christian Markert von den Grünen. Und er machte deutlich: Geht es um die Transformation einer Energieregion, müssen am Ende neue Arbeits- und Ausbildungsplätze stehen – und keine romantischen Landschaften.