24. Auflage des Stadtfestes „Kaarst Total“ zwischen Gedenken und Feierlaune
Kaarst · Mit einer Schweigeminute für die Opfer der Messerattacken in Solingen und Siegen hat das Stadtfest „Kaarst Total“ begonnen. Die Stimmung ließen sich die Besucher aber nicht vermiesen.
Das Stadtfest „Kaarst Total“ in der 24. Auflage präsentierte sich zum Auftakt am Samstagnachmittag auf dem Neumarkt wie gewohnt: Ein riesiger bunter Schirm schuf Schatten, Menschen tummelten sich, tanzten zu den italienischen Rhythmen der Band „Claudio Castellano und Friends“ und warteten gespannt auf die offizielle Eröffnung. Also alles scheinbar wie immer. Es waren aber wesentlich weniger Menschen als sonst gekommen und wenn ein Stadtfest mit einer Schweigeminute beginnt, ist es nicht wie sonst.
Dirk Reuter und Daria Semcov, Moderatoren der Sparkassenbühne, baten zunächst die Mitglieder des Initiativkreises auf die Bühne und lobten ihren ehrenamtlichen Einsatz für die Organisation des Festes. Es gab (natürlich) einen Hinweis auf die zahlreichen Sponsoren und den Freundeskreis „Kaarst Total“, ohne deren finanzielle Hilfe das Ganze nicht möglich wäre. Anschließend erinnerte Reuter an das Messerattentat in Solingen vom 23. August, bei dem ein Syrer drei Menschen getötet und mehrere schwer verletzt haben soll. Und an den Messerangriff am Freitagabend, bei dem eine offenbar psychisch erkrankte Frau in Siegen Menschen in einem Bus attackierte, der auf dem Weg zu einem Stadtfest war. Allen Opfern wurde in einer Schweigeminute gedacht, bei der es bis auf ein paar benachbarte Feiergeräusche tatsächlich still war.
Bürgermeisterin Ursula Baum äußerte in ihrer Ansprache erneut ihr Mitgefühl für die Familien der Opfer. Aber sie fügte an: „Das Leben geht weiter – mit eben einem Lebensrisiko!“ Eine Absage des Stadtfestes sei keine Option gewesen, denn sie war sich sicher, dass auch die Opfer gewollt hätten, dass weitergemacht werde: „Feiern fördert Gemeinschaft“, so Baum. Die Polizeipräsenz wurde erhöht und Sicherheitspersonal angepasst, überall verteilt und nicht immer zu erkennen. Schirmherr Bernd Espeter und Initiativkreis-Sprecherin Nina Hons warben noch einmal für den Beitritt zum Freundeskreis, bevor Espeter mit fünf wuchtigen Schlägen das erste Fass Bier anschlug. Nina Hons sagte im Gespräch, dass sie sich von den Gedanken an die Attentate „nicht ganz frei machen könne“, eine Absage des Festes aber das falsche Signal gesendet hätte.
Viel los vor den Bühnen,
Lücken auf der Flaniermeile
Die traditionelle Pre-Eröffnung am Freitagabend an der Hügen-Bühne sei jedenfalls nach verhaltenem Beginn brechend voll gewesen. Hons freute sich, dass im relativ kleinen Kaarst ein so riesiges Stadtfest so toll angenommen werde. Für Bernd Espeter ist das Stadtfest der Zeitpunkt, an dem die „Ernte eingefahren“ werde: Es sei so schön zu sehen, wie sich die Menschen begegnen. Sein Einsatz gründet auf viel Herzblut und einer gewissen Verrücktheit, sagte er mit Schmunzeln. Und mit Hinweis auf den großen Schirm meinte er: „Kaarst ist schon seit 25 Jahren bunt!“
Der Rundgang offenbarte dann nicht nur weniger Gäste, sondern auch weniger Angebote auf der so genannten Flaniermeile, die eher einer verkappten Kirmes glich. Auffällig waren viele Meter Leerstände. Vor den drei Bühnen war am meisten los so wie beim Auftritt der Gruppe „Dragonflies“: Kinder und Jugendliche begeisterten mit ihrer Akrobatik. Antonia (10) und Solveig (14) gefielen die sorgfältig einstudierten Übungen sehr.
Vor der Hügen-Bühne genossen zwei Familien die Zeit: „Wir sind jedes Jahr hier und fühlen uns auch sicher“, erklärte Anne Heidrich im Namen aller. Sie ließen sich das Fest nicht vermiesen. Genauso wie Katharina Franke, die gemeinsam mit einer Freundin auf einer Bank Platz genommen hatte: „Man muss schon die Augen offen halten“, meinten sie. Aber wenn sie nicht gekommen wären, hätte man den Attentätern in gewisser Weise Recht gegeben. Außerdem wäre es auch den Organisatoren von „Kaarst Total“ gegenüber unfair gewesen. Zu einem Event in Köln oder Düsseldorf wären sie allerdings nicht gefahren. Zu später Stunde füllte sich der Platz vor der Hügen-Bühne nur mäßig. Das Konzert der Coldplay-Tribute-Bans „Shiver“ erwies sich dagegen als Publikumsmagnet. Der ökumenische Gottesdienst am Sonntagmorgen war ebenfalls gut besucht – wie um ein Zeichen gegen Hass und Gewalt zu setzen.