Der Strom fällt aus, die Wasserversorgung bricht ab und die Supermärkte schließen auf unbestimmte Zeit – ein solches Katastrophenszenario gilt in Deutschland zwar als relativ unwahrscheinlich, trotzdem kann es angesichts der weltpolitischen Lage und der Extremwetterereignisse vergangener Jahre sinnvoll sein, sich für Ausfälle in der Infrastruktur zu wappnen. Die Corona-Pandemie hat gezeigt: Klopapier, Nudeln und Co. verschwinden in Krisenzeiten schnell aus den Regalen. Eine gut durchdachte Überlebensstrategie ist das allerdings nicht. Was sollte man also wissen für den Ernstfall wissen?
Wie man auf sich allein gestellt in Extremsituationen überlebt, weiß Manuel Euskirchen. Der Survival-Trainer aus Kaarst verbringt regelmäßig mehrere Tage und Nächte im Wald. In seinem Rucksack befindet sich dann meist nur das Nötigste – ein Erstehilfe-Kit, ein Messer oder Feuerstahl. Angefangen mit dem Wildnistraining hat Euskirchen, um Seltbstwirksamkeit zu erleben. „Zu wissen, dass ich aus jeder Situation irgendwie rauskomme, gibt mir Selbstvertrauen“, sagt er.
In dem Szenario, in dem Euskirchen das Überleben trainiert, gibt es weder Heizungen noch Leitungswasser, Kühlschränke oder Vorratskammern. Er inszeniert das „ausgesetzt“ sein in der Wildnis, die heute in Deutschland kaum noch existiert. Gleichzeitig stellt diese Situation auch deutlich heraus, worauf es im Ernstfall wirklich ankommt. „Es gibt vier Survival-Prioritäten, die immer und überall auf der Welt gelten“, sagt Euskirchen. Oberste Priorität habe es, einen Schutzraum zu suchen, der einen trocken und warm hält. Als Zweites entzündet Euskirchen ein Feuer, um die Körperwärme zu erhalten. Erst dann kundschaftet er eine Wasserquelle aus und besorgt Nahrung.
Selbst Menschen, die sich nicht im knallharten Survival-Training behaupten müssen, empfiehlt Euskirchen, sich mit all diesen Bereichen zumindest einmal auseinanderzusetzen. „Wer keinen Bezug zur Natur hat, wird im Falle eines Blackouts auch nicht auf diese Ressource zurückgreifen“, so Euskirchen. Das Wichtigste sei, rauszugehen und die Selbsterfahrung zu machen. Für Manuel Euskirchen sieht eine erste Survival-Erfahrung beispielsweise so aus: Anfänger können mit einer dünnen Plane und Schnur lernen, einen Schutzraum zu bauen. Der Feuerstahl ist ein günstiges und einsteigerfreundliches Werkzeug, um Feuer zu machen. Aber auch, schon zu lernen, wie Funken und Zunder funktionieren, ist laut des Wildnis-Trainers hilfreich.
Das gelte für Wasser und Nahrung. Zu wissen, wann Wasser genießbar ist, ist in der Natur überlebenswichtig. Bestimmte Pflanzen und Tiere zeigen beispielsweise eine gute Wasserqualität an. Auch die Klarheit des Gewässers und die unmittelbare Umgebung geben Hinweise auf die Genießbarkeit. Wasser, das durch landwirtschaftliche Flächen fließt, sollte gefiltert und abgekocht werden, um Keime abzutöten.
Wie lange man in Notsituationen durchhalten kann, ist laut Manuel Euskirchen letztlich aber nur bedingt von Survival-Fähigkeiten und der körperlichen Verfassung abhängig. Entscheidend sei vor allem die mentale Einstellung. Euskirchen formuliert das so: „Bin ich jemand, der aktiv versucht, an der Situation etwas zu verändern? Oder nehme ich eine passive Rolle ein und warte bis Hilfe kommt?“ Eine aktivere Person sei länger in der Lage, durchzuhalten. Man solle sich sinnvoll beschäftigen und Aufgaben nicht vor sich herzuschieben.
Euskirchen ist überzeugt, dass die mentale Resilienz, die er im Wald erlernt, ihm auch im alltäglichen Leben in Kaarst nützlich ist. Aber geht das auch andersherum? Lässt sich mentale Resilienz für den Notfall im Alltag trainieren? „Einen mentalen Widerstand zu spüren, bedeutet auch immer, dass wir schon auf dem Weg aus unserer Komfortzone heraus sind“, erklärt Euskirchen.
Auf Widerstände – das können Ängste sein oder auch das Gefühl von Unbehagen – stößt er im Survival-Training immer wieder. Es habe fast ein ganzes Jahr gedauert, bis er sich an das Schlafen unter freiem Himmel, ohne Dach und ohne Decke gewöhnt habe. Und als bei einer Trainingseinheit einmal sein Zigarettentabak feucht und unbrauchbar wurde, geriet er für einen Moment in Panik. „Das war für mich ein Schlüsselerlebnis, bei dem ich gemerkt habe, wie sehr ich von Dingen abhängig bin, die ich nicht immer zur Verfügung habe“, sagt er heute. Mit dem Rauchen hat er nach dieser Erfahrung aufgehört.
Sich aus seiner Komfortzone herauszubewegen könne man beispielsweise mit Sport. Oder damit, sich seinen Ängsten zu stellen. „Jemand mit einer Spinnenphobie könnte sich einmal zehn Minuten lang mit einer Spinne beschäftigen“, schlägt Euskirchen vor. Mentale Widerstandsfähigkeit trainiere man schließlich dadurch, „mit dem eigenen Körper oder Kopf dahin zu gehen, wo man anfängt, sich unwohl zu fühlen und diese Grenze kontinuierlich zu verschieben.“