„Amprion hat seine Hausaufgaben nicht gemacht und ist am Zug“

Landrat Hans-Jürgen Petrauschke fordert in der Konverter-Standortfrage von dem Netzbetreiber ein neues Gutachten.

Foto: RKN

Herr Landrat, bei einer Demonstration der Konverter-Gegner in Osterath war zu lesen: „Petrauschke besinn Dich! 60,4 Prozent haben Dich gewählt.“ Wie fühlen Sie sich als Buhmann der Konverter-Standortsuche?

Foto: Boris Schmidt

Hans-Jürgen Petrauschke: Natürlich treffen mich die Aussagen. Ich könnte es mir bequem machen und fordern, den Konverter irgendwo zu bauen, aber bitte nicht bei uns im Rhein-Kreis Neuss, wo ich der Landrat bin. Das tun viele, aber ich nicht. Verantwortung wegzuschieben, entspricht nicht meinem Verständnis von Politik. Ich erwarte aber, dass alle potenziellen Standorte überprüft werden.

Sie stehen bei den Osterathern in der Kritik, weil Sie als Vorsitzender des Regionalrates die favorisierte Dreiecksfläche in Kaarst nicht aus der Kies-Widmung nehmen. Damit rückt Osterath in der Priorität vor. Haben Sie sich für Osterath entschieden?

Petrauschke: Nein. Weder der Regionalrat noch ich haben das Mandat, über den Standort zu entscheiden. Ich trete aber dafür ein, dass die Entscheidung in einem transparenten Verfahren rechtsstaatlich getroffen wird. Dazu lasse ich mich, und nichts anderes sage ich nun seit fünf Jahren, von den drei in meinen Augen wesentlichen Fragen leiten: 1) Ist der Konverter zwingend notwendig? 2) Falls ja, macht nur ein Standort im Rhein-Kreis Sinn? 3) An welchem Standort stört der Konverter die Menschen am wenigstens? Also: Wo ist der Abstand zur Wohnbebauung am größten?

Wenn wir Ihrer Drei-Fragen-Strategie folgen, an welchem Punkt der Eskalationsstufe befinden wir uns? Ein ernstzunehmender Experte wie Professor Lorenz Jarras bezweifelt, dass ein Konverter zwingend erforderlich ist. Was sagen Sie?

Petrauschke: Ich bin kein Techniker und muss mich wie viele andere auch auf das Urteil der Fachleute verlassen. Aber offenbar ist es so, dass Gleichstrom im Vergleich zum Wechselstrom beim Transport weniger Verluste hat. Wer nun große Strommengen transportiert, der setzt auf Gleichstrom.

Ihnen wird unterstellt, als Amprion-Handlanger zu agieren. Verletzt es Sie, wenn Sie Slogans wie „Konverter — Amprion — Die Macht des Geldes“ lesen müssen, wie bei der Demo?

Petrauschke: Das tut weh. Ich fühle mich allen Menschen im Rhein-Kreis — nicht nur den Osterathern — verpflichtet und ich habe als Landrat auf rechtsstaatliche Verfahren zu achten. Um es klar zu sagen: Amprion als Bauherr hat seine Hausaufgaben nicht gemacht. Die von Amprion in Auftrag gegebenen Gutachten gehen zum Teil von unterschiedlichen Grundlagen aus. Beispiel: Zunächst galten 500 Meter als Mindestabstand zur Wohnbebauung, im jüngsten Gutachten sind es nur noch 400 Meter. Was gilt denn nun? Da müssen ja unterschiedliche Prioritäten herauskommen. Und die Festlegung des Suchraumes ist spätestens seit der Neuregelung zur Erdverkabelung falsch. Das kritisiere ich ebenso wie die Anwälte von Kaarst und Meerbusch.

Warum drückt sich der Regionalrat um eine Entscheidung?

Petrauschke: Der Regionalrat kann sich gar nicht drücken, weil er in der Frage der Konverter-Standortsuche nicht zuständig ist.

Der Regionalrat könnte aber die Kies-Widmung aufheben.

Petrauschke: Richtig. Damit würden wir aber die Rechtssicherheit im Kies-Kompromiss auflösen, der das Ergebnis eines sehr langen Verfahrens ist. Dennoch wäre die Standortsuche aber nicht entschieden, denn die Dreiecksfläche wäre weiterhin nur eine Option.

Was ist denn jetzt zu tun?

Petrauschke: Amprion muss nach einem erneuten, alle potenziellen Standorte bewertenden Gutachten sagen, wo die Firma als Netzbetreiber den Konverter bauen will, und den entsprechenden Antrag bei der Bundesnetzagentur stellen. Dann gibt es mehrere Rechtswege, die zum Ziel führen können. Auf diesem Weg könnte auch die Dreiecksfläche zum Konverter-Standort werden.

Es wird für die Stromleitung bis Osterath eine Erdverkabelung geben, deren neue Trasse nicht identisch mit der Hochspannungsleitung ist. Denkbar scheint, dass die neue Trasse neue Konvertor-Standorte erschließt — zum Beispiel im Gewerbegebiet Krefeld-Fichtenhain, oder?

Petrauschke: Das sehe ich auch so.

Am Endpunkt der Leitungstrasse in Philippsburg wird der Konverter einvernehmlich auf dem Gelände des dortigen Kraftwerkes gebaut. Könnte Ihr Vorschlag mit dem Konverter-Standort Frimmersdorf neue Aktualität erfahren?

Petrauschke: Ich beteilige mich an Verfahren, nicht an Spekulationen. Ihre Fragen sind aber doch Beleg genug, dass ich Recht habe, wenn ich zu dem Ergebnis komme: Amprion hat seine Hausaufgaben nicht gemacht. Wer einen Konverter bauen will, muss sagen, was er wo und wie bauen will und wie er nach einem transparenten, nachvollziehbaren Verfahren zu diesem Ergebnis gekommen ist. Wenn das klar ist, wird von den zuständigen Gremien entschieden und deren Entscheidung — wenn erforderlich — richterlich überprüft. Auch dann werden nicht alle Betroffenen zufrieden sein, aber alle wissen zumindest, wie und warum es zu dieser Entscheidung gekommen ist. Amprion ist am Zug.