Etat: Erste positive Bilanz seit acht Jahren
Zum ersten Mal nach langer Zeit kann die Stadt Meerbusch eine schwarze Null aufweisen. Die schwarz-grüne Mehrheit hat im Rat den Haushaltsplan 2017 durchgebracht. Gegenstimmen gab es dennoch: SPD, FDP sowie Linke und Piraten stimmten gegen den Entwurf.
Für die Fraktionen ist sie kein Selbstzweck, für Bürgermeisterin Angelika Mielke-Westerlage hingegen ein fest gestecktes Ziel, das in Meerbusch jetzt — über kleine Abkürzungen — schneller erreicht werden konnte, als anfangs gedacht: die schwarze Null. Mit 14 Gegenstimmen hat die schwarz-grüne Mehrheit gestern Abend den Haushalt 2017 verabschiedet. SPD, FDP sowie Linke und Piraten stimmten gegen den Entwurf. Die Verwaltungschefin kann trotzdem zufrieden sein: Erstmals nach acht Jahren sieht der Haushalt im Ergebnisplan wieder einen Überschuss vor. Ordentlichen — also regelmäßig wiederkehrenden und planbaren — Aufwendungen von 144 887 780 Euro stehen entsprechende Erträge von 147 289 100 Euro gegenüber. Macht inklusive der Finanzerträge, Zinsen und sonstigen Ausgaben unterm Strich ein positives Jahresergebnis von 601 520 Euro.
Erklären lässt sich der Überschuss unter anderem durch den Verkauf des Grundstücks „Alter Bauhof“ und einem höheren Steueraufkommen aus nachgeholten Veranlagungen für bebaute Grundstücke — immerhin 601 520 Euro. Für die Abwicklung des Projektes „Gute Schule 2020“ sind im Haushaltsentwurf 2017 rund 600 000 Euro als Zuwendung vom Land vorgesehen. Das macht sich bemerkbar. Weil der Meerbuscher Haushalt ausgeglichen ist, entfällt für die Stadt künftig die Genehmigungsverpflichtung durch die Aufsichtsbehörde, sprich: den Kreis. Zwar enthält die Haushaltssatzung für 2017 eine Kreditermächtigung in Höhe von 1,84 Millionen Euro. Die planmäßigen Tilgungen betragen aber gleichzeitig 4,791 Millionen. Damit kommt es zu einer Nettokredit-Tilgung in Höhe von 2,951 Millionen Euro. Bis 2020 sind keine weiteren Kreditaufnahmen vorgesehen. Durch die planmäßige Ablösung können rund 15 Millionen Euro Schulden abgebaut werden.
Peter Weyen, UWG-Vizefraktions-Chef
Also alles paletti in Meerbusch? Vor allem die „kleinen“ Fraktionen, aber auch die Sozialdemokraten bleiben skeptisch. „In der Vergangenheit hat sich das Eigenkapital der Stadt von 282 Millionen Euro zum 1. Januar 2007 auf 252 Millionen zum 31. Dezember 2016, also um 30 Millionen Euro, verringert“, sagt UWG-Vizefraktions-Chef Heinrich Peter Weyen. In Wahrheit sei der Haushaltsausgleich dem aktuell hohen Beschäftigungsstand, den extrem niedrigen Zinsen und der robusten Konjunktur geschuldet. Notwendig, sagt Weyen, seien deshalb strukturelle Reformen, die die Stadt von demografischen, konjunkturellen und zinslichen Schwankungen unabhängiger machen.
Ansetzen will die UWG — genauso wie SPD und FDP — zum Beispiel bei den in den vergangenen Jahren deutlich gestiegenen Personalkosten. „Fast die Hälfte des Personals der Stadt Meerbusch wird in den nächsten 15 Jahren aus Altersgründen ausscheiden“, sagt Weyen. „Dieses Zeitfenster bietet die historische Chance einer Neuausrichtung der Verwaltung, die geprägt ist von einer umfassenden Digitalisierung aller Arbeitsabläufe.“
Nicole Niederdellman-Siemes erklärt die schwarze Null mit einem „Kunstgriff der Bürgermeisterin“. Die Kreisumlage, sagt die SPD-Fraktionschefin, sei wegen der deutlich höheren Zuwendungen des Landes an den Kreis kurzerhand reduziert worden. „Haushaltsrechtlich ist dieses Vorgehen eben ein Kunstgriff, der Kreis kann jederzeit die durch ihn beschlossenen Mittel einfordern.“ Die SPD habe derweil Mittel für eine strategische Planung einsetzen wollen, die sich langfristig rechne — für den Ausbau der Betreuung für unter dreijährige Kinder, flexiblere Betreuungszeiten und eine verbesserte Ausstattung in den Kitas etwa, für die Festlegung von Standards für den offenen Ganztags oder die Prüfung einer Wohnraumentwicklungsgesellschaft. „Alles wurde abgelehnt, deshalb können wir diesen Haushalt nicht mittragen.“
Die CDU sieht die Lage derweil weniger kritisch. „Ja, in Meerbusch ist tatsächlich sehr viel in Ordnung“, sagt Fraktionschef Werner Damblon. Dafür habe die Politik mit einer seit sieben Jahren stabilen schwarz-grünen Mehrheit die richtigen Rahmenbedingungen gesetzt. „Wir waren sparsam, haben aber nichts kaputt gespart“, sagt Damblon. „Die spannende Frage lautet nun: Was müssen wir tun, damit wir auch in zehn Jahren sagen können: ,Hier lebt es sich gut!’?“ Die CDU sagt: Zum Beispiel den Autoverkehr optimieren. Mit der Böhlerstraße, der K9n und der Bahnunterführung Osterath würden Umwegverkehre und damit Belastungen verhindert. „Wo immer möglich wollen wir Durchgangsverkehre, gerade auch im Schwerlastverkehr, verhindern“, sagt Damblon. „Wir wollen die alternativen Möglichkeiten zum Autofahren, insbesondere den ÖPNV und den Radverkehr, weiter verbessern und in diese Bereiche massiv investieren. Erhöhung von Taktzahlen, neue Linien und vor allem neue und optimierte Radwege sind schon in 2017 ganz konkrete Schritte.“
Auch die Möglichkeit der Schaffung von neuen Arbeitsplätzen will die Union in den Blick nehmen — und deshalb „ein hochwertiges, interkommunales Gewerbegebiet in Osterath“ unterstützen. „In welcher rechtlichen Form und Größe es entwickelt wird, ist noch offen“, sagt Damblon. „Fest steht: Wir sind für eine schrittweise, wirtschaftlich vernünftige und mit den Interessen der Meerbuscher vereinbare Lösung. Und es soll bitte keiner behaupten, wir wollten Schwerindustrie oder Logistik dort ansiedeln, das ist Unfug!“
Und der Kooperationspartner? „Die Grünen haben Gestaltungsansprüche“, sagt Joachim Quaß. „Für uns ist Haushalskonsolidierung wichtig, aber nicht nur. Deshalb können wir der FDP bei diesem Bestreben oft nicht folgen, obwohl wir respektvoll anerkennen, dass sich wahrscheinlich keine andere Fraktion dermaßen ausgiebig mit Datenmaterial auseinandersetzt, und zwar auf hohem Niveau.“
Die Liberalen wollen nach wie vor strikt sparen und sagen, strukturell nachhaltig wirkten nur Maßnahmen, die über einen langen Zeitraum die Ausgaben reduzieren — oder zumindest stabilisieren. „Beispiele dazu könnten die optimierten Öffnungszeiten der Bürgerbüros sein, ein verändertes Angebot bei Bibliotheken und VHS oder auch smarte Kooperationen für die städtische Musikschule sein“, sagt FDP-Fraktionsgeschäftsführer und Ortsverbandschef Ralph Jörgens. Und gerichtet an die Bürgermeisterin: „Aber wir sind bereit, eine Wette einzugehen: Falls es sich erweisen sollte, dass die vorgelegten Planzahlen in 2017 tatsächlich Realität werden, dann werden wir dem Haushalt 2018 zustimmen. Versprochen!“