Fast alle Lehrstellen sind schon besetzt

Für einige hat die Ausbildung schon begonnen, andere starten im August und September.

Es war der erste offizielle Arbeitstag gestern für Luisa Birgels (19) und Philipp Bergs (29). Die beiden sind Azubis in einer ungewöhnlichen Firma: im Hunderesort Bellomania in Lank-Latum. Beiden Lehrlingen gemeinsam: ihre Liebe zu Tieren, vor allem zu Hunden. Luisa hat ihren Realschulabschluss in Osterath gemacht und wollte schon immer „irgendwas mit Tieren“ machen. Nach dem Praktikum bei ihrer Jetzt-Chefin Bita Salz stand fest: „Hier will ich arbeiten.“

Foto: Kirchholtes/ak

Genauso erging es auch Philipp, der aus Kaarst kommt. Nach der Schule hat er erst studiert, sich aber auch immer als Tierpfleger — zum Beispiel im Wuppertaler Zoo — beworben. Auch er entschied sich nach dem Praktikum für die Lehre in Lank-Latum. Jetzt müssen beide sich um die Hunde kümmern, mit ihnen Gassi gehen, sie erziehen, auf sie aufpassen. Mit dem Fernziel, sich vielleicht selbstständig zu machen mit einer eigenen Hunde-Tagesstätte. Bei anderen geht der neue Lebensabschnitt erst in ein paar Monaten los: Die Realschüler Philipp Haase, Marvin Grumbach, Florian Hölters und Tim Bruns haben aber bereits Ausbildungsstellen gefunden, die ihren Wünschen entsprechen. Philipp startet am 1. September bei der SMS Group Düsseldorf und will technischer Produktdesigner werden. Seine Kumpel Florian und Marvin schlagen den eher klassischen Weg ins Handwerk ein. Florian beginnt seine Ausbildung zum Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik bei Elektro Knedel in Strümp und Marvin hat seinen Ausbildungsvertrag zum Elektroniker bei Heuser und Wankum in Willich unterschrieben.

Tim tritt in die Fußstapfen seines Vater und hat den Beruf des Zerspanungsmechanikers gewählt, lernt demnächst bei der Willicher Firma Jongen. „Ich habe dort ein Praktikum gemacht. Das hat mir gut gefallen“, erzählt er. In der Realschule werden die Schüler nicht alleine gelassen bei der Berufsorientierung. Die Lehrer Florian Grünewald und Christina Brake sind ihre „StuBos“, Lehrkräfte zu Koordination der Berufs- und Studienorientierung, die gemäß des Landesprogramms „Kein Abschluss ohne Anschluss“ vorgehen. „Von Klasse 8 bis 10 gibt es Praktika, Berufsberatung durch das Arbeitsamt, es werden Bewerbungsgespräche geübt und es finden individuelle Begleitgespräche statt“, erklärt Grünewald.

Natürlich werde auch über weiterführende Schulen informiert, denn viele Realschüler wollen lieber weiterlernen. „Unsere Schüler sind dieses Jahr alle untergekommen“, freut er sich. Eng wird es langsam für die Meerbuscher Jugendlichen, die noch keine Lehrstelle gefunden haben. Genau sieben Angebote sind bei der Industrie- und Handelskammer Mittlerer Niederrhein, zu der Meerbusch gehört, für die Stadt im Grünen registriert: als Köchin und Veranstaltungskaufmann, als Lager-Logistiker, Fachkraft im Büromanagement sowie im Gaststätten- und Hotelgewerbe.

„Doch im direkten Umkreis von 20 Kilometern sind noch 659 Ausbildungsstellen zu besetzen“, informiert Heinrich Backes, Referent für Aus- und Weiterbildung bei der IHK. Neuss, Krefeld, Düsseldorf und Willich bieten derzeit in fast jeder Branche Lehrstellen an.

Er rechnet damit, dass etliche davon bis zum 1. September, wenn das Ausbildungsjahr normalerweise beginnt, besetzt werden. Nur in den klassischen Mangelberufen, die nicht den Lebensgewohnheiten der Jugendlichen entsprechen, werde es wieder schwer. Kaum jemand sei bereit, am Wochenende oder abends zu arbeiten, wenn die Freunde in der Altstadt oder auf Partys unterwegs seien. Das Angebot ist also da. Doch wie sieht es bei der Nachfrage aus? „Wir haben keine Zahlen darüber, wie viele Jugendliche schon eine Lehrstelle haben und wie viele noch suchen“, erklärt Backes. Viele bewerben sich direkt oder nutzen Online-Portale.

Auch bei der IHK-Lehrstellenbörse kann man sich als Suchender eintragen, sogar schon für 2019. Zudem müsse man sich bei der Arbeitsagentur melden, wenn man eine freie Lehrstelle sucht. Neben persönlichen Beratungen könne man dort das Berufsinformationszentrum (BIZ) nutzen, das nach Eingabe von persönlichen Begabungen und Wünschen einen Katalog von Berufsmöglichkeiten auswirft. „Denn viele Schüler wissen gar nicht genau, was sie wollen oder sind zu fixiert auf ein Berufsbild“, sagt Backes.

Bei dem Überangebot an Möglichkeiten gehe manchmal der genaue Blick verloren. Man solle auch artverwandte Berufe ins Auge fassen. Neben der klassischen Beratung gibt es die Check-in Berufswelt. Am Donnerstag, 5. Juli können Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 9 bis 13 jeweils von 13 bis 17 Uhr im Rhein-Kreis Neuss Betriebe hautnah erleben.