Hinter Sträuchern versteckt: Die Geschichte von Meerbusch
Die Ruine hinter dem Schloss Pesch oder den Krausenbaum in Lank finden nur diejenigen, die sich ins Gestrüpp wagen.
Das Holzkreuz, das seit Ewigkeiten am Ortsausgang von Lank-Latum am Krausenbaum steht, beachtet kaum einer, der dort vorbei fährt. Dabei ranken sich um diesen Ort einige Legenden, die in fahlen Mondnächten auch für ein wenig Grusel sorgen können. Das Kreuz steht jedenfalls schon lange dort — auch wenn es erst kürzlich von der Werkgruppe des Heimatkreises Lank erneuert worden ist — es hat dem Krausen- oder Krusenbaum wohl seinen Namen gegeben. Was hinter dem Kreuz aber aussieht wie ein unscheinbarer Busch, ist in Wirklichkeit wohl der älteste Baum Meerbuschs. Die einzelnen Büsche sind nämlich Reste des einst mächtigen Stammes. Ursprünglich hat die Linde einen Umfang von mehr als acht Metern gehabt, heute stehen nur noch Reste der Außenwand, die optisch als einzelne Bäume wahrgenommen werden. Man hat das Alter daher auf etwa 650 Jahre geschätzt. Die Krone der Linde wurde 1936 von einem Wirbelsturm abgedreht und schlug Meter weiter Wurzeln.
Hinzu kommt, dass der Krause Baum an einer heute unscheinbaren aber früher bedeutenden Wegekreuzung liegt. Dort ging es von Nierst nach Lank und von Linn/Uerdingen in die südlichen Dörfer des Amtsbezirkes bis nach Neuss. Und der Volksmund sah an solchen Wegkreuzungen weit außerhalb der Siedlungen stets Hexen und Teufel am Werk. Wohl deshalb wurden dort schon früh ein Kreuz errichtet und eine Station der Fronleichnamsprozession gehalten.
Und weil Linden oft auch Gerichtsbäume waren, vermutet Addo Winkels dort auch einen Ort, an dem das Linner Schöffengericht getagt haben könnte — ungewöhnlich wäre das nicht. Der gedankliche Weg bis zur Richtstätte ist da nicht weit und eine gutgewachsene Linde könnte auch als Galgenbaum gedient haben. Für Bathasar Radmacher war der benachbarte Vorstenberg immer auch „der Galgenberg“. Und weil in unmittelbarer Nähe Jahrhunderte lang auch die Grenze zur Freien Herrlichkeit Nierst, in der das Kloster Meer zu sagen hatte, verlief, soll hier nach Winkels um 1660 auch der Meerer Galgen gestanden haben.
Aber selbst wenn es nicht Gehängte sind, die in diesem unbeachteten Winkel durch mondklare Nächte spuken, sind es vielleicht die Geister der Gefallenen aus der Schlacht vom 12. März 1689 als französische und brandenburgisch-niederländische Truppen zwischen Uerdingen und Meer aufeinandertrafen. Die gefallenen Franzosen wurden dort zu hunderten angeblich von den Lanker Schützenbrüdern gegen den Befehl der Sieger in einem von drei Massengräbern bestattet, um einer Seuche vorzubeugen. Auch daran soll das mächtige Holzkreuz im Schatten des Krausen Baumes erinnern.
Ganz versteckt im Herrenbusch, unweit von Schloss Pesch, steht eine von der Natur fast verschlungene Ruine mitten im Wald. Nur wenige kennen den Stumpf aus Backstein, der unter dem dichten, grünen Blätterdach über einem unscheinbaren Geviert aus Trümmern aufragt und um den sich einige Legenden ranken. Mancher glaubte in dem Backsteinhaufen die Trümmer der alten Burg Pesch auszumachen. Das feste Haus wurde 1583 im Truchseßischen Krieg völlig zerstört, aber von seinem Besitzer Emmerich Hurt von Schöneck wieder aufgebaut. Er starb dort 1615 an der Pest. Wahlweise waren es auch französische Revolutionstruppen, die am 6. April 1795 Pesch in Flammen aufgehen ließen. Erst Jahre später entstand zunächst das Haus Pesch und in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg das wuchtige Schloss, wie wir es heute kennen.
So mancher hat auch in Kindertagen im Umfeld der Ruine nach dem verwunschenen Gang gesucht, der zwischen Pesch und dem Haus Gripswald oder Haus Latum existiert haben soll. Während Erwachsene wissen, dass die Entfernungen für solch ein Bauwerk, das man praktisch jeder Burgruine in Deutschland andichtet, viel zu weit für mittelalterliche Baumeister gewesen sind, haben Kinder noch genügend Fantasie, um in dem von Gräben und Wasserläufen durchfurchten Gelände zu suchen. In seiner Abgeschiedenheit und im grünschimmernden Licht wirkt der Herrenbusch hier fast schon verzaubert. Nüchtern betrachtet lässt sich das Ganze auch anders deuten: Ein alter Bauer erzählte einmal, dass hier einst ein Eiskeller gestanden habe, der im Zweiten Weltkrieg zerstört worden ist.
Das passt sicher auch viel besser zu dem zweckmäßigen und kleinen Fundament und den doch recht modernen Backsteinen. Hier wurde im Winter Eis von den Teichen ringsum eingelagert und konnte bis in den Hochsommer im Schloss genutzt werden — Kühlschränke gab es ja erst nach dem Zweiten Weltkrieg allmählich in deutschen Küchen.