Bildung in Meerbusch Hund Lola nimmt die Angst vorm Lesen

Büderich. · Medizinerin Irene von Seebach holt das Bildungsprojekt „Lesehund“ mit der Johanniter Hilfsgemeinschaft Meerbusch nach Nordrhein-Westfalen. Nun sucht sie Hundebesitzer, die sich gemeinsam mit ihren Tieren ausbilden lassen wollen.

Irene von Seebach möchte, dass ihre Hündin ein Lesehund wird. Die Ausbildung muss Lola noch absolvieren.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Dass an diesem Morgen ein fremder Mann mit Kamera in ihrem Revier unterwegs ist und Fotos macht, stört Lola überhaupt nicht. Die zehnjährige Mischlingshündin ist aufmerksam, aber trotzdem entspannt. „Ich kann mir absolut vorstellen, dass Lola ein toller Lesehund wird. Daher bin ich auch guten Mutes, dass sie die Prüfung besteht“, sagt Irene von Seebach.

Die Kinder- und Jugendärztin aus Büderich ist Leiterin des neuen Projekts „Lesehund“ der Johanniter Hilfsgemeinschaft Meerbusch (JHG) und in dieser Position nun auch dort im Vorstand. „Ich habe vor einiger Zeit in einem Mitteilungsblatt der Johanniter Unfallhilfe einen Artikel über das Projekt gelesen.“ Die dort geschilderten Probleme kamen der Medizinerin bekannt vor: „Auch in meiner Praxis erlebe ich häufig, dass Kinder beim Lesen immense Defizite haben.“ Deshalb sei ihr sofort klar gewesen: „Dieses Projekt möchte ich auch in Meerbusch aufziehen.“

Nun hofft von Seebach auf weitere Hundebesitzer aus Meerbusch, die sich ebenfalls ehrenamtlich einsetzen und zum Lesehund-Team ausgebildet werden möchten. Außerdem können sich Schulleiter melden, die Besuch von einem Lesehund bekommen wollen. Das Konzept ist simpel: Regelmäßig lesen die Kinder „ihrem“ Lesehund in der Schule jeweils 20 Minuten lang vor. Die Lesehundbegleiter wählen zuvor die entsprechende Literatur aus einem „Lesebaum“ aus. Dessen Äste haben verschiedene Schwierigkeitsgrade, sodass die Kinder den Baum allmählich hochklettern können. Bei Lesefehlern werden die Kinder auch korrigiert – aber sanft: „Ich als Lesehundbegleiterin könnte dann beispielsweise sagen: ,Schau mal, wie Lola guckt. Hast du den Eindruck, dass sie das gerade richtig fand, wie du gelesen hast?’ Denn die Kinder“, so erklärt Irene von Seebach weiter, „sollen nicht nur ihre Scheu verlieren, sondern natürlich auch ihre Lesefähigkeiten verbessern.“

Die Kinder sollen den Hunden laut vorlesen und so ihre mögliche Furcht überwinden. Das Projekt soll auch an Schulen starten.

Foto: Johanniter Unfallhilfe

In Bayern, Hamburg und Brandenburg sind bereits in vielen Schulen regelmäßig Lesehunde zu Gast. „Die Kinder freuen sich auf die Treffen – und damit auch auf das Lesen, das ihnen im Beisein des Hundes viel leichter fällt“, sagt Helmut Winter, der bei den Johannitern für die Ausbildung im Bereich tiergestützte Intervention zuständig ist. Er wird auch die Ausbildung der Teams in Meerbusch leiten und erklärt: „Für viele Kinder bedeutet vor allem das laute Vorlesen in der Klasse Stress. Sie fürchten sich vor Kritik und Hänseleien, Dazu kommt die Angst vor Fehlern.“

Nervosität und Furcht sind jedoch schlechte Voraussetzungen für das Lesen. Und genau da kommen die Hunde ins Spiel: „Die Tiere machen keine dummen Bemerkungen, sie lachen niemanden aus und sie werden auch nicht ungeduldig“, sagt Irene von Seebach. Sie möchte so bald wie möglich mit Lola die Prüfung absolvieren und sich danach weiter ausbilden lassen, um selbst Prüfungen abnehmen zu können. „Meine beiden Kinder sind jetzt alt genug, ich habe also wieder Kapazitäten frei“, sagt sie und lacht.

Natürlich ist nicht jeder Hund als Lesehund geeignet. Helmut Winter betont, dass nur Hunde in den Schulen eingesetzt werden, von denen der Experte überzeugt ist, dass sie immer souverän bleiben. Gesucht werden Hunde, die kinderlieb, ausgeglichen und ruhig sind, keine Berührungsängste zeigen und auch die Grundkommandos beherrschen. Die JHG Meerbusch plant bereits für Januar 2021 das erste Coaching-Wochenende für interessierte Hundeteams – je nach aktueller Pandemie-Lage. Dort wird dann zum Beispiel getestet, wie die Hunde auf laute Geräusche reagieren oder was passiert, wenn sie bedrängt werden.

Nachdem die Hunde einen Wesenstest und die Hundebesitzer eine Theorie- und Praxisausbildung erhalten haben, bescheinigt ein Zertifikat dem Lesehund und seinem Begleiter, dass sie als Team ab sofort ehrenamtlich „Schuleinsätze“ übernehmen dürfen. Auch die Rolle der Lesehundbegleiter sei eine sehr wichtige, sagt Irene von Seebach. „Sie müssen den Hund unter Kontrolle haben, aber bleiben im Idealfall für die Kinder unsichtbar“, erklärt sie. Denn die Interaktion soll alleine zwischen Kind und Hund stattfinden.

Ein solches Projekt mitten in der Corona-Krise auf den Weg zu bringen, wird eine Herausforderung sein. „Aber ich hoffe, dass zum Start des nächsten Schulhalbjahrs bereits die ersten Teams in Meerbuscher Schulen gehen können“, sagt Irene von Seebach. Für die Hunde ist der Besuch in den Schulen Arbeit. Deshalb dürfen sie auch nicht mehr als zwei Einsätze pro Woche haben. Die dauern dann jeweils eine Stunde, in denen ihnen jeweils drei Kinder 20 Minuten lang vorlesen.