Interview mit Förster Lukas Lenneps-von Hagen „Waldgesundheit ist auch Menschengesundheit“

Meerbusch · Heute beginnen die Deutschen Waldtage 2023. Meerbuschs Förster schätzt die Lage des hiesigen Waldes ein.

Lukas Lenneps-von Hagen ist Förster bei Wald und Forst NRW und auch für Meerbuschs Wälder zuständig. Er berät die Stadt und auch private Waldbesitzer.

Foto: RP/Dominik Schneider

Das Gespräch führte

Dominik Schneider

Herr Lenneps-von Hagen, wir haben einen gefühlt sehr durchwachsenen Sommer hinter uns, mit Extremen sowohl im nass-kühlen wie auch im heiß-trockenen Bereich. Wie geht es Meerbuschs Wäldern aktuell?

Lukas Lenneps-von Hagen: Ich muss sagen, bis Ende Juli hatte ich große Sorgen. Die lange Dürre mit starker Sonneneinstrahlung bedeutet Stress für alle Pflanzen, vor allem für junge Waldbäume war es tatsächlich knapp. Sie haben kein so ausgeprägtes Wurzelwerk wie ältere Bäume und können weniger Wasser aufnehmen. Gerade auf Freiflächen, wo sie auch keinen Schatten bekommen, hatten wir bei Neupflanzungen teils Ausfälle von 50 Prozent.

Wenn es nicht gerade heiß war, hat es in diesem Sommer aber auch viel geregnet.

Lenneps-von Hagen: Zu viel Regen ist für den Wald in unserer Situation schwer vorzustellen. Wir haben – anders als in bergigeren Landschaften – zum Beispiel keine Gefährdung durch Erosion.

Also, ihr Urteil: Wie geht es dem Meerbuscher Wald?

Lenneps-von Hagen: Man kann sagen: Der Wald überlebt, aber den einzelnen Bäumen geht es häufig schlecht. Die aktuelle Waldzustandserhebung zeigt, dass in Meerbusch weit über die Hälfte der individuellen Bäume nicht gesund sind. Ein dramatisches Beispiel ist die Esche, die aufgrund einer Pilzkrankheit, des Eschentriebsterbens, wohl in unseren Landschaften größtenteils absterben wird. Das ist sehr schade, weil wir hier in Meerbusch einige tolle Standorte für diese Baumart haben. Auf nicht wassergeprägten Flächen wächst aber unter den Eschen bereits die Buche hoch. Diese wird ihren Platz zum Teil einnehmen und wird auch weiterhin in den Wäldern angepflanzt. Auch die Buchen sind nicht so klimastabil, wie man zunächst angenommen hat, aber werden unsere Wälder weiter prägen – auch, wenn die jetzigen Jungpflanzen wohl keine schönen, 200 Jahre alten Bestände mehr bilden werden, wie wir sie heute noch sehen.

Welche Bäume haben in Meerbuschs Wäldern überhaupt noch Zukunft?

Lenneps-von Hagen: An feuchten Standorten setzen wir auf die Stieleiche, Erle und Flatterulme, in Randlagen auf die Schwarzpappel, eine typische Pflanze der niederrheinischen Landschaft. An trockenen Standorten wird die Traubeneiche gepflanzt – sie ist nicht nur bei den Menschen beliebt und sehr anspruchslos, sondern ihr Holz – zumindest aktuell – sehr wertvoll. Die Eiche gehört generell zu den Kulturpflanzen, die die Menschen mögen. Mit anderen Baumarten wird derzeit experimentiert. Gute Ergebnisse zeigt etwa die Esskastanie, auch die Baumhasel könnte ein Baum der Zukunft sein.

Sie sprachen von gezielten Pflanzungen zukunftsfähiger Bäume. In wie weit muss man auch anderweitig in den Wald eingreifen?

Lenneps-von Hagen: Ein Beispiel wäre der Ahorn. Dieser leidet extrem an der Rußrindenkrankheit und wird hier wohl dauerhaft nur auf weniger Fläche bestehen können. Er verbreitet sich aber im Moment sehr stark, die jungen Bäume – die eben wegen dieser Krankheit nicht alt werden – verdrängen andere Arten. Da müssen wir Menschen steuernd eingreifen.

Generell können Waldbäume ja nicht die selbe Pflege bekommen wie etwa Straßen- oder Parkbäume.

Lenneps-von Hagen: Das stimmt, zusätzliches Gießen ist im Wald keine Option. Aber wir schützen junge Bestände etwa durch Zäune vor Rehen, die die Triebe gerne fressen würden. Außerdem fördern wir junge Bäume ganz gezielt, indem wir Pflanzen, die sie bedrängen oder verschatten, wegschneiden. Bei kranken, sterbenden oder abgestorbenen Bäumen muss jeweils entschieden werden, ob wir sie stehen lassen oder entnehmen.

Wovon hängt das ab?

Lenneps-von Hagen: Totholz ist ein wertvoller Lebensraum – in stehenden toten Bäumen leben ganz andere Arten als im Fallholz, und die Bewohner unterscheiden sich auch je nach Stadium der Verrottung. Wenn wir also abgestorbene Bäume im Wald lassen, schaffen wir Lebensräume, von denen Tiere abhängig sind. Entfernt werden sie weitgehend, wenn sie die Verkehrssicherheit gefährden.

Was heißt das konkret?

Lenneps-von Hagen: Grundsätzlich gilt: Wer in den Wald geht, setzt sich waldtypischen Gefahren aus. Die Pflicht des Waldbesitzers, diese zu eliminieren, besteht nur an Plätzen, die zum Aufenthalt einladen – Bänken oder Spielplätzen. Die Stadt Meerbusch nimmt die Verkehrssicherung ernst und entfernt auch Gefahren durch Totholz an den Wegen. Häufig werden entsprechend nicht standsichere Bäume – oder solche mit toten Ästen gefällt, teils auch von Kletterern zurückgeschnitten.

Wer hat potenzielle Gefahrenquellen im Blick?

Lenneps-von Hagen: Die Stadt beschäftigt eine Baumkontrolleurin und arbeitet zusätzlich mit einem externen Dienstleister zusammen – die sind aber mit den Straßenbäumen weitgehend ausgelastet. Aber Mitarbeiter der Stadt – oder auch ich – die im Wald unterwegs sind, melden Totholz an den Wegen. Bürger können außerdem über den Mängelmelder aktiv werden, dann kommen die Experten und schätzen ein, ob man beim jeweiligen Baum eingreifen muss.

Wenn ein Baum gefällt wird, was passiert dann?

Lenneps-von Hagen: Die Stadt Meerbusch bewirtschaftet ihren Wald nicht mit dem Ziel, Geld zu gewinnen. Im Gegenteil, in den Wald wird viel investiert. Teilweise werden abgestorbene Bäume als Brennholz verkauft.

Damit lässt sich aber merklich weniger Gewinn erziehlen als etwa mit Holz für den Bau, oder?

Lenneps-von Hagen: Das stimmt so pauschal nicht mehr. Gerade im Zuge der Energiekrise ist der Preis von Brennholz stark gestiegen, teils war er sogar über dem von Konstruktionsholz. Aber ja, die Stadt hat auch einen kleinen Anteil an wirklich hochwertigen Laubbäumen, mit deren Holz viel Geld gemacht wird. Sollte einer davon gefällt werden, kann dieses Geld gleich in die Waldpflege reinvestiert werden.

Wie viel Wald gehört überhaupt der Stadt?

Lenneps-von Hagen: Die Stadt Meerbusch besitzt knapp 250 Hektar Wald, dazu kommt Privatwald. Das macht zusammen etwa zehn Prozent der Fläche von Meerbusch aus – das liegt auch am großen Anteil der Landwirtschaft.

Wie verhalten sich die Menschen im Meerbuscher Wald?

Lenneps-von Hagen: Grundsätzlich ist zu sagen, dass das Hauptziel des städtischen Waldes ist, den Menschen zur Erholung zu dienen. Ein gesunder Wald ist auch gut für die Gesundheit der Menschen. Die Wege in Meerbusch sind top in Schuss, zumeist sogar mit dem Rollstuhl zu befahren. Und man muss auch sagen, dass die Meerbuscher gut mit ihrem Wald umgehen, es gibt wenig Müll in der Natur, die Stadt sorgt für Sauberkeit und leert die Abfalleimer regelmäßig. Aber es kommt vor, dass größere Mengen – etwa Bauschutt oder Farbreste – an Feld- oder Waldwegen abgeladen werden. Das ist nicht nur ein großer Schaden für die Umwelt, sondern auch strafbar.