Meerbusch: „Experte muss vor Ort sein“
Dichtheit: Streit um die Interpretation von Vorschriften verunsichert die Kunden.
Meerbusch. Ist mein Abwasserkanal dicht? Diese bange Frage stellen sich viele Hausbesitzer. Bis Ende 2015 müssen sie die Antwort "Ja" nachweisen können. Mit dem Zertifikat eines anerkannten Sachverständigen. Auf das warten auch Meerbuscher Bürger schon seit Wochen vergeblich. Sie hatten sich nach einer spontanen Ansprache von Handwerkern auf eine Kontrolle ihrer Abflussrohre eingelassen, diese zum Teil sanieren lassen - und warten nun auf die Bescheinigung.
Zehn bis 15Anrufer täglich, so berichtet Marcel Berg, Kanal-Experte in der Meerbuscher Stadtverwaltung, erkundigten sich zuletzt nach ihren Pflichten als Hauseigentümer oder auch der Seriosität von Firmen-Angeboten.
Darauf zu achten, macht Sinn: Die Dichtheit der Rohre kann nur ein nach dem Landeswassergesetz anerkannter Sachverständiger bescheinigen. Der muss sich in Theorie und Praxis intensiv geschult haben. Eine Woche lang hat beispielsweise der Installateur- und Heizungsbaumeister Thomas Jung zwei seiner Meister zur Weiterbildung geschickt. Denen habe der Schädel gebrummt. "Das war viel Stoff in Theorie und Praxis." Jetzt erledigen die beiden die Dichtheitsprüfung - von Anfang an. Die erfolgt durch eine Druckprüfung mit Wasser oder Luft oder eine TV-Inspektion. "Die Kamerafahrt allein reicht aber nicht aus, die Dichtheit der Rohre festzustellen", sagt Jung. Immer müsste auch eine Druckprüfung erfolgen. Ebenso unverzichtbar und nach seiner Interpretation der Informationsschrift des Ministeriums vorgeschrieben sei auch, dass der Sachverständige schon bei der Untersuchung der Abwasserrohre vor Ort sein müsse. Keineswegs dürfe er nur aufgrund von Filmaufnahmen und Lageskizzen sein Urteil abgeben.
Juristen auf Ebene der Landesbehörden interpretieren die Vorgaben des Paragraphen 61a ähnlich. Die Prüfung fange mit der Schadensaufnahme im Kanal an und sei ein Prozess, der sich aus vielen Faktoren zusammensetze. Aufgrund der hohen Anforderungen an die Qualitätssicherung ergebe sich schon, dass die Sachverständigen jeden Schritt direkt begleiten müssten.
Das sieht Christoph Heemann, Geschäftsführer der Ingenieurkammer-Bau in NRW anders. Ein Sachkundiger könne die Dichtheit eines Kanals lediglich aufgrund von TV-Aufnahmen prüfen. "Es ist zulässig, dass er diese Prüfung im Büro vornimmt, und man kann es auch", sagt Heemann. Voraussetzung für eine Zertifizierung sei selbstverständlich, dass die TV-Aufnahmen mit den Gegebenheiten auf dem Grundstück übereinstimmten.
"Der Verlauf der Leitungen wird im Bestandsplan dokumentiert. Falls der fehlt, muss dem Prüfer eine Skizze vorliegen", erläutert Heemann. "Entsprechen sich Plan und Filmaufnahmen, kann man mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass die Daten dem Objekt zugeordnet werden können." Als Ergebnis einer qualifizierten Prüfung erhalte der Auftraggeber eine Bescheinigung mit ausführlichem Dichtheitsprüfprotokoll.