Geflüchtete in Meerbusch Weihnachten in der Fremde
Düsseldorf · Viele Menschen verbringen dieses Weihnachtsfest weit von der Heimat entfernt. Wie eine ukrainische Familie die Feiertage erlebt.
Zum zweiten Mal feiern die Nikolaienkos Weihnachten in Meerbusch. Die ukrainische Familie aus Kiew ist im März 2022 aus ihrer Heimat geflohen und wohnt nun in Büderich. „Unter den Gefahren des Krieges kann man keine Kinder groß ziehen“, sagt Vater Yevhenii (52 Jahre). Der Ingenieur und seine Frau Natalia (50 Jahre), die in der Ukraine als Ärztin gearbeitet hat, haben fünf Kinder.
Ihren ältesten Sohn (25 Jahre) mussten sie in der Heimat zurücklassen, da dieser keine Ausreisegenehmigung erhielt. Junge Männer müssen damit rechnen, zum Kriegsdienst eingezogen zu werden. Doch Nataliia (20 Jahre), die Zwillinge Artem und Rustam (12 Jahre) sowie Bohdan (8 Jahre) haben sich ganz gut am Niederrhein eingelebt. Der Jüngste geht in Meerbusch in die Nikolausschule, die Älteren in die Realschule Osterath. Tochter Nataliia versucht, ihr Studium, das sie seit drei Jahren in Kiew absolviert, online fortzusetzen. Parallel dazu besucht sie Sprachkurse, um Chancen auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu haben. Auch die Eltern müssen weiter Deutsch lernen, ehe sie sich eine Arbeitsstelle suchen können.
Weihnachten fern der Heimat? In der richtigen, festlichen Stimmung dafür sind die Nikolaienkos nicht. „Mein Herz tut weh“, sagt die Mutter. Doch sie werden das Fest auch in Deutschland feiern und soweit es geht die Traditionen aus der Ukraine aufrecht erhalten. Heiligabend wurde in der West-Ukraine und auch bei den Nikolaienkos schon länger am 24. Dezember gefeiert – in der Ukraine ist der 25. Dezember seit 2017 gesetzlicher Feiertag. Zusätzlich beging die Familie am 7. Januar das orthodoxe Weihnachtsfest. Als Reaktion auf den Überfall Russlands auf die Ukraine hat die autokephale, eigenständige Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU) ab 2023 offiziell Weihnachten auf die westlichen Daten verlegt, um sich von der russisch-orthodoxen Kirche zu distanzieren. Stattdessen orientiert sich die Ukraine nun am westlichen Kirchenkalender.
„In der Ukraine haben wir den Heiligabend bis in den 25. Dezember hinein gefeiert“, erzählt Natalia. „So ist unsere Tradition, die Heilige Nacht zu begehen.“ Am Abend werde ausgiebig getafelt. Dazu kommen immer zwölf Speisen auf den Tisch, die an die zwölf Apostel erinnern sollen. Ganz wichtig ist das Gericht Kutja, ein Brei aus gekochten Getreidekörnern, Mohnsamen, Honig, Rosinen und Nüssen. Jedes Familienmitglied muss davon einen Löffel essen, nachdem die älteste Person am Tisch die Feier mit einem Gebet eröffnet hat. Außerdem gibt es die bekannte Rote-Beete-Suppe Borschtsch, Wareniki-Teigtaschen, Kohlblätter mit Reisfüllung, Salate und Süßes. „Im Kreise der Familie am reich gedeckten Tisch zu sitzen, war einer der Höhepunkte des Jahres“, erzählt Natalia. Neben Wasser gab es ein Kompottgetränk zu trinken, das die Familien aus frischem Obst zubereiten. Außerdem wurde mit Sekt angestoßen und Glühwein mit Orangen, Zimt und Nelken heiß gemacht.
Geschenke gab es bei den Nikolaienkos traditionell immer erst um Mitternacht. Der Besuch einer der großen Kirchen in Kiew und ein Spaziergang durch die verschneiten Straßen verkürzte diese Wartezeit. Besondere Zeiten für die Gottesdienste gab es dabei nicht. „Die Kirchen sind an Weihnachten durchgehend vom 24. bis 25. Dezember geöffnet“, berichtet Yevhenii. Chöre singen Weihnachtslieder, die festlich gekleideten Priester lesen immer wieder die Weihnachtsgeschichte und andere Kapitel aus der Bibel vor. Dazu schwenken Priester Weihrauchfässer und die Menschen beten vor den Ikonen.“ Natürlich habe man zuhause auch einen Weihnachtsbaum gehabt und eine Krippe aufgestellt.
Wichteln kannten die Kinder
bisher noch nicht
In diesem Jahr wollen sie die gleiche Tanne wie im vergangenen Jahr aufstellen und schmücken, da sie diese mit Ballen gekauft und gut gegossen hätten. So soll für die Kinder auch in Deutschland eine schöne Weihnachtsatmosphäre entstehen. Die drei Jungen haben bereits in der Jugendgruppe, die sie in St. Mauritius besuchen, Plätzchen gebacken. Der Besuch auf der Büdericher Winterwelt zusammen mit anderen ukrainischen Familien sei sehr schön gewesen, so die Nikolaienkos. Außerdem wurde in der Schule am letzten Tag gewichtelt, ein Brauch, den die Kinder noch nicht kannten. „Aber das macht Spaß“, lächelt Artem. Er und sein Bruder denken auch gerne an den Theaterbesuch im Neusser Landestheater zurück, wo die Schüler „Pippi Langstrumpf“ erlebt haben. Das sei toll gewesen, so Artem und Rustam. Kleinere Geschenke werden sie auch hier unter dem Weihnachtsbaum finden, sagen die Eltern lächelnd. Eine andere Tradition entfällt leider. „Am ersten Weihnachtstag gehen die Kinder normalerweise zu ihren Paten und bringen diesen Leckereien“, erzählt Natalia. „Die Paten haben dann ein Geschenk für die Kinder, zum Beispiel Karten für das Eisstadion oder für den Zirkus.“
Mit etwas Traurigkeit denken sie an ihren Sohn in Kiew, der mit seiner Freundin in der Wohnung der Nikolaienkos das Weihnachtsfest verbringen wird. Natürlich werden sie über die digitalen Medien Kontakt haben, aber das sei doch etwas ganz anderes als das richtige Zusammensein in friedlichen Zeiten. „Und wir wissen ja nicht, wie der Krieg weitergehen wird. Er wird sehr schwer und sehr lange dauern“, befürchtet Yevhenii.