Wie sehen Sie die Lage für den Offenen Ganztag?
Interview Jürgen Eimer und Elisabeth Funke Verein investiert 200 000 Euro in Ausbildung
Interview Dem Osterather Betreuungsverein ist Qualität im Offenen Ganztag wichtig.
Kinder sind die Zukunft, sagen Politiker gerne. Als wachsende Stadt unternimmt Meerbusch einiges, um Kinder zu betreuen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen. Wir haben mit dem OBV Meerbusch gesprochen, der seit 2004 den Offenen Ganztag in Meerbusch organisiert, um zu erfahren, wie sich der pädagogische Nachmittag gestaltet.
Jürgen Eimer: Es herrscht eine hohe Nachfrage. Wir haben jedes Jahr Wartelisten, weil wir nicht alle Kinder aufnehmen können, deren Eltern es wünschen. Die Verwaltung plant von Jahr zu Jahr eine zusätzliche Gruppe, im kommenden Schuljahr in der Brüder-Grimm-Schule. Oftmals nehmen zwei Schulen eine halbe Gruppe dazu. Aber auch in den anderen Schulen ist der Bedarf ja höher. Das Kernproblem ist die Raumfrage: Wo sollen die Kinder untergebracht werden?
Elisabeth Funke: Und dazu gehört die Küchenfrage. Die Schulen sind nicht konzipiert für Mittagsverpflegung. Die provisorischen Lösungen an einigen Schulen sind nicht für Großküchen mit großen Kühlschränken und Konvektomaten zum Aufwärmen der angelieferten Essen angelegt.
Wie gehen Sie denn mit dem Raumproblem um?
Funke: Gute pädagogische Arbeit braucht Raum. Wenn 30 bis 40 Kinder in einem Raum sind, ist es zu laut, die Luft wird schlecht. In einer Gruppe sind 28 Kinder. Aber es ist eben nicht für jede Gruppe ein Raum da. Deshalb braucht es viel Strukturierung, damit die Räume nicht permanent überfüllt sind. Wenn der Stundenplan so aussieht, dass alle Kinder auf einmal da sind, ist das eine echte Herausforderung. Zum Beispiel am letzten Schultag: Ab 11 Uhr kommen alle Schüler vom Offenen Ganztag und dazu die Kinder, die bis 14 Uhr das VGS-Angebot wahrnehmen. Das sind dann bis zu 80 Kinder on top, die keinen eigenen Raum haben. Wenn es regnet und Sie nicht rausgehen können, haben Sie bis zu 40 bis 50 Schüler in einem Raum.
An der Adam-Riese-Schule gibt es ein Pilotprojekt, bei dem Klassenräume durch multifunktionale Möbel als Gruppenraum für den Offenen Ganztag genutzt werden. Wie funktioniert das im Alltag?
Funke: Die Idee ist gut und die Räume sind modern ausgestattet. Allerdings sind die neuen höhenverstellbaren Stühle und Tische so schwer, dass sie nicht mal eben schnell zur Seite geräumt werden können. Solche wichtigen Details sollten bei zukünftigen Planungen besser berücksichtigt werden.
Eimer: Es ist immer wichtig, die Leute, die damit arbeiten müssen, von Anfang an in die Planung miteinzubeziehen.
Wenn von Jahr zu Jahr das Angebot um eine Gruppe wächst, benötigen Sie ja auch mehr Personal. Es war zu hören, dass nach Erziehern schon mit Headhuntern gesucht wird. Ist das so?
Funke: Es wird tatsächlich immer schwieriger, gutes Fachpersonal zu finden. Aus meiner Sicht kann man das grundsätzlich nur über Geld, also eine bessere Bezahlung regeln. Es gibt viele junge Leute, die Lust hätten, einen Beruf im sozialen Bereich zu ergreifen, die sich aber abschrecken lassen, weil ihnen die Aufstiegschancen, eine gute finanzielle Absicherung und leider auch die allgemeine Wertschätzung und Anerkennung für diese wichtige Aufgabe fehlen.
Eimer: Selbst bei Eltern gibt es häufig noch die Vorstellung: Die spielen ja bloß. Mit diesem Vorurteil kämpfen wir leider immer noch. In einigen anderen Kommunen wird der Offene Ganztag nicht durch Fachkräfte organisiert und geleitet. Das ist bei uns anders. Wir legen großen Wert auf Professionalität. Die Leitungskräfte haben ein sozialpädagogisches Studium, die Gruppenleiter sind Erzieher, Kindheitspädagogen oder Sozialpädagogen. Mitarbeiter, die keine pädagogische Ausbildung haben, bekommen eine Weiterbildung zur OGS-Fachkraft. Das ist ein berufsbegleitender Aufbau-Bildungsgang beim LVR, der über anderthalb Jahre geht und vom OBV bezahlt wird.
Wie viele Auszubildende beschäftigt der OBV denn?
Eimer: Insgesamt sieben absolvieren eine praxisintegrierte Ausbildung (PIA) zum Erzieher, davon drei im Kita-Bereich. Sie arbeiten drei Tage die Woche in der Einrichtung, zwei Tage gehen sie zur Schule und verdienen im ersten Ausbildungsjahr 1100 Euro. Das sind für uns schon arge Kosten. Zudem beschäftigen wir vier Sozialpädagogik-Studenten, die über dreieinhalb Jahre ein duales Studium absolvieren. Sie sind im Wechsel eine Woche in der Einrichtung, eine Woche an der IUBH Internationale Hochschule in Düsseldorf. Der OBV übernimmt die Studiengebühren.
Wie viel zahlen Sie denn an Ausbildungskosten?
Eimer: Über 200 000 Euro im Jahr. In die Ausbildung junger Menschen zu investieren, ist mir ein persönliches Anliegen. Wir verbinden damit die Hoffnung, dass sie nach ihrem Studium oder ihrer Ausbildung bei uns bleiben. In unseren Einrichtungen sind sie sehr wertvoll für uns, brauchen aber auch eine gute Anleitung durch unsere Fachkräfte.
Welche Verbesserungen für den Offenen Ganztag sind denn in Sicht?
Funke: Wir sind froh, dass endlich die Planungskosten für eine separate Mensa der Pastor-Jakob-Schule eingestellt wurden. Die Situation dort mit einer Küchenzeile in einem Gruppenraum im zweiten Stock hat uns über viele Jahre Sorgen bereitet.
Welche Rolle spielt im Offenen Ganztag die Inklusion?
Funke: 17 Kinder werden im Unterricht von Inklusionsassistenten des OBV betreu. Sie brauchen intensive Hilfe. Bislher hatten wir keine Möglichkeit, die Inklusionsassistenten auch im Nachmittag einzusetzen. Seit 1. Januar ist das durch eine Gesetzesänderung bei Bedarf möglich. Die aktuelle Raumsituation ist gerade für Kinder mit Autismus oder ADHS eine große Belastung, sie sind einer permanenten Reizüberflutung ausgesetzt. Wenn Inklusionsassistenten mit ihnen zeitweise die Räume verlassen können, um Ruhephasen zu ermöglichen, ist das ein kleiner Lichtblick.