Spannungsfeld zwischen Kunst und Kirche
Beliebter Nachhilfelehrer: Jürgen Becker erklärt die Menschheitsgeschichte.
Lank. Mit der Kunst ist das so eine Sache. Wem Begriffe wie Eklektizismus wenig sagen, ist bei einer Vernissage schnell der Blamierte.
Endgültig dem Hohn und Spott ist ausgesetzt, wer euphorisch hinausposaunt, die rote Skulptur sei die beste, worauf der Galerist kühl mitteilt, das sei leider der Feuerlöscher.
Da ist Nachhilfe vonnöten, und die bietet Jürgen Becker in seinem neuen Programm „Der Künstler ist anwesend“. Im Spannungsfeld zwischen Kunst, Kirche, Karneval und kölschem Klüngel wagt der Kabarettist einen für das Publikum genussvollen Parforceritt von der bildenden Kunst über die hohe Schule der Architektur bis zur Haute Cuisine.
Dabei plappert Becker scheinbar lapidar und fröhlich vor sich hin, als wären ihm seine bissigen Pointen und brillanten Bilder ganz nebenbei eingefallen. Es ist wie ein netter Plausch mit einem guten Freund, eingebettet in einen Dia-Abend. Aber natürlich redet im ausverkauften Forum Wasserturm nur einer, und das ist Jürgen Becker.
Der Bogen zur Religion ist schnell geschlagen, als Überleitung hilft dem gelernten grafischen Zeichner ein Bild von Max Ernst, das 1926 in klerikalen Kreisen ein Erdbeben der Entrüstung auslöste. Und schon ist Becker bei seinem Lieblingsthema: der rheinischen Form des Katholizismus.
Er schwingt nicht mit der rhetorischen Keule, es sind vielmehr kleine zweideutige Nadelstiche, die Wirkung erzielen. Wie er dann mit den Händen in den Hosentaschen in der Historie wühlt und die Entstehung der Dreifaltigkeit auf seine Weise erläutert, das gehört zur humoristischen Spitzenklasse.
Respektlos zerpflückt der Moderator der WDR-Mitternachtsspitzen auch die Baustile der Antike und rückt — keine Mine verziehend — den Gang der Geschichte in seinem Sinne so überzeugend zurecht, dass man ihm tatsächlich Glauben schenken will.
Dabei kommt er stets vom Hölzchen aufs Stöckchen und folgt doch immer einem roten Faden. Wo der zu finden ist, das weiß allerdings nur Becker selbst.